Sprache

  • Love, Exciting sorrow, Soothing

    Es gibt drei Kategorien in der traditionellen irischen Musik:

    • leichte, fröhliche Musik, die die Menschen zusammenbringt (geantraí | gean (“love, affection”) +‎ –traí (“type of music”))
    • traurige Musik (goltraí | gol (“weeping”) +‎ -traí (“type of music”))
    • beruhigende Musik (suantraí | suan (“sleep”) +‎ –traí (“type of music”))

    Noch schöner ausgedrückt mit den Worten: Love, Exciting sorrow und Soothing

    The Three Noble Strains of Irish Music

    via

  • Kluger Mann

    Ich wollte eine Transkriptionssoftware testen und suchte auf Youtube einen langen Sachvortrag. Ich hatte nur „Vortrag“ als Suchbegriff eingegeben. Ich klickte auf Philipp Huebls Vortrag an der UDK zum Thema Bullshit-Resistenz, den dritten Eintrag im Suchergebnis. Ich hörte eine Zeit lang zu und dachte, was für ein kluger, gut redender Mann das doch ist.

    Jetzt habe ich mir die vollen zweieinhalb Stunden zur Sondersitzung „Gendern“ angehört und bin sehr beeindruckt und begeistert. Was ich in den letzten Jahren zum Thema gelesen und selbst erlebt habe, war nur so ein vager Gedanke, immer mit dem Ergebnis, dass das Ganze nicht schlüssig ist, widersprüchlich ist, formal nicht sauber durchführbar ist, ich zweifele, dass das erreicht wird, was man möchte, ich zweifele, dass die Effekte, die man gerne hätte, tatsächlich nachweisbar sind. Vor allem aber habe ich in Gesprächen mit Frauen gemerkt, dass die Verständigung nicht besser wird. Niemand fühlt sich nicht angesprochen oder auf den Schlips getreten, wenn nicht gegendert wird. Im Zweifelsfall wird nachgefragt.

    Wenn jemand zum Frisör geht, ist das Geschlecht egal. Männer in meinem Umfeld gendern gar nicht. Das Geschlecht hat nur in seltenen Fällen eine Bedeutung, aber dann hat es auch eine Bedeutung (Urologe, Frauenärztin, Therapeutin. „Ich hätte lieber eine Frau als Therapeut“ ginge allerdings auch. Niemand würde darunter verstehen, dass die Frau erst ein Mann werden muss). Die Zweifelsfälle, in denen man kurz stocken würde, sind selten, bis kaum vorhanden. Wenn jemand „die Preisträger“ auf die Bühne bittet, ist es vollkommen egal, was man sich da gerade vorstellt. Man wird schon gucken, wer da auf der Bühne steht, und die Gruppe dürfte garantiert anders aussehen als das, was man sich vorgestellt hat. Rote Harre, Strubbelhaare, helle Haut, Kniestrümpfe, Piercing an der Nase, auf Krücken … völlig egal.

    Immer wenn in meinem Umfeld gegendert wurde oder ums Gendern ging, führte es zu Missverständnissen und manchmal auch falschen Vorstellungen. Kein Mensch würde in den Nachrichten sagen: „Über den/die Täter:in ist noch nichts bekannt“. Es macht vieles einfach nur schief.

    Beispiele aus meinem Umfeld, die mich stutzig gemacht haben

    Beispiel Eins: Eine Bekannte erhält als Kritik zu ihrem Vortrag von einer Studentin, dass sie nicht gegendert hätte. Auf die Rückfrage, ob es Rückmeldung zum Inhalt gäbe, bekam sie keine Antwort. An ihrem Vortrag war weder inhaltlich noch sprachlich etwas auszusetzen. Das ist nicht in Ordnung, fand sie. Völlig zurecht, finde ich. Gendern hat in der wissenschaftlichen Kommunikation frei zu bleiben und darf kein Kritikpunkt werden. Die Bekannte war ziemlich sauer und fand das unmöglich. Sie ist eine freundliche, sehr nette Person, die um Verständnis bemüht ist. Was mal gut gemeint war, ist anmaßend geworden. Hier wird persönlich etwas einfordert, was nicht sachlich konsequent oder eindeutig umgesetzt werden kann.

    Beispiel Zwei: Im Zug wird durchgesagt „Wenn sich ein Arzt im Zug befindet, möchte er bitte in Wagon drei kommen“. Zwei Minuten später laufen drei Personen an uns vorbei, zwei Männer und eine Frau. Alle fühlten sich selbstverständlich angesprochen, die eine Approbation als Arzt oder Ärztin haben.

    Beispiel Drei: Jemand erzählt mir, dass sich fünf Professor:innen vorgestellt hätten. Oh, denke ich, da muss wohl mindestens einer oder eine queer gewesen sein. Es waren aber nur drei Männer und zwei Frauen.

    Ich merke, dass Gendern aus Höflichkeit, wie ich es bisher tat, keinen Sinn macht. Gendern verschiebt und verzerrt sogar das Verständnis, führt aber nicht zu mehr Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung. Im Alltag habe ich es so gut wie nie gehört, es hat sich nicht eingebürgert und hat sich nicht in die Alltagssprache integriert. Es scheint mir nur noch das sprachliche Signal einer akademischen Kleingruppe zu sein.

    Das ist wie mit dem Wort „Der Kaffee“. Das kann alles Mögliche heißen, vom weiblich konnotierten Milchkaffee bis zur neutralen Bohne hin zum dreifachen Espresso für maskuline Typen. So verstehe ich auch das Wort „Arzt“ oder „Brot“. Das Wort „Brot“ liebe ich. Es ist so schön und eindeutig, aber jeder stellt sich darunter etwas vollkommen anderes vor, und beim Bäcker würde man sich auf den Arm genommen fühlen, wenn ich sage: „Ich hätte gerne ein Brot“. Wenn ich sage „Ich gehe zum Arzt“, fehlt nicht an Information das Geschlecht der Person.

    Philipp Huebl erläutert und erklärt das alles sehr ausführlich und detailliert, was das Gendern aus wissenschaftlicher und sprachtheoretischer Sicht bedeutet. Vor allem, was man aufgrund der Untersuchungen sagen kann.

  • Meinten Sie etwa …?

    Das ist schon ein bisschen lustig. Ich suche speziell nach einer ganz bestimmten Ärztin und dachte, so finde ich sie schneller, weil ich die ganzen Männer rausfilter. Wenn ich nach „tierarzt wieblingen“ suche, moniert Google nichts.

    Als Filterfunktion finde ich die Kategorie Frau/Mann schon ganz nützlich. Aber, wie gesagt, zur Not kann ich drauf verzichten.

  • Die Frau vom Bürgermeister

    Nur so ein Gedanke.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass die angehängten weiblichen Endungen im Deutschen nett gemeint waren, geschweige denn emanzipatorisch. Hat die weibliche Endung eine emanzipatorische Bedeutung bekommen, weil man sie positiv werten wollte, also ins Gegenteil verkehren? Die Bürgermeisterin war dann nicht mehr die Frau vom Bürgermeister, sondern der Bürgermeister selbst? Eine positiv gewendete Movierung, also?

    Ich denke, dass die Nennung des Geschlechts in der Sprache zur Abgrenzung gegenüber dem Maskulinen und gewissen Lebensbereichen (Wissenschaft, Politik) benutzt wurde. Aber das ist nur eine Vermutung. Die weibliche Endung untermauerte das Patriarchat. In der Emanzipation wurde es positiv umgedeutet, das war gewollt und beabsichtig. Hätte man an der Stelle nicht auch einen anderen Weg einschlagen können und drauf verzichten?

    Ich frage mich, ob es nicht schlauer gewesen wäre, sich von der ursprünglich (vermutlich!) eher negativ konnotierten Form des Weiblichen zu trennen und die männlich gedeutete vom Geschlecht zu entbinden. Also: Der Bürgermeister ist eine Frau. Der Satz wäre vor hundert Jahren eine Sensation gewesen. Heute würde man bei dem Satz genau das denken, was eigentlich alle wollen: Wen interessiert das Geschlecht?

    Vor vierhundert Jahren mag man überrascht ausgerufen haben: „Stehen Frau Wirtin jetzt daselbst hinter der Theke und zapft mir das Bier (dröhnendes Gelächter), seit wann steht Mannsweib hinter der Theke?! (dröhnendes Gelächter, Fäuste, die auf den Tisch klopfen).“ Die Frau, nein, keine zwei Meter große, kräftige Frau, sondern eine kleine, schmächtige Frau mit blonden Locken, geht nicht zum Tisch und stellt sich bedrohlich und ebenbürtig vor den bärtigen Grobian, sie spuckt auch nicht listig in sein Bier, sondern flüstert nur leise in sich hinein: „Lieber Gott, womit habe ich das verdient?! Wird die Welt jemals anders sein?“

    Die Welt ist eine andere geworden und Frau Wirtinnen sind nicht mehr die Frau vom Wirt, sondern führen selbst die Gaststätte. Mir kommt dabei einfach nur der Gedanken: Hätte man nicht im Laufe der Zeit (also die letzten hundert Jahre) das ursprünglich – das vermute ich – diskriminierend gemeinte -in nicht ablegen können?

    Kein Mensch interessiert sich für das Geschlecht, wenn er einen Klempner ruft.

    Kurz noch nachträglich angemerkt: das Die und Der werden sowieso als willkürlich angesehen und haben für eine geschlechtliche Vorstellung kaum Bedeutung, da braucht man nur mal jemanden fragen, der Deutsch lernt (Die Bohrmaschine).

    Nebenbei bemerkt: Kinder haben ihre Geschlechtsneutralität bewahrt. Quereinsteiger auch.

    Um das Ganze mal als Gedankenexperiment zu veranschaulichen – und möglicherweise wird meine Idee dadurch vorstellbar – zitiere ich aus dem Wikipedia-Eintrag zu „Geschlechtergerechte Sprache“ Luise F. Pusch:

    Luise F. Pusch, Pionierin der geschlechtergerechten Sprache, verdeutlichte diese unsymmetrischen „Geschlechts-Schubladen“:

    „Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und 1 Sänger sind zusammen 100 Sänger … Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männer-Schublade. Die Metapher bewirkt, dass in unseren Köpfen nur Manns-Bilder auftauchen, wenn von Arbeitern, Studenten, Ärzten, Dichtern oder Rentnern die Rede ist, auch wenn jene Ärzte oder Rentner in Wirklichkeit überwiegend Ärztinnen bzw. Rentnerinnen waren.“

    Der letzte Satz ist wichtig, denn dieses Bild, diese Vorstellung hätte möglicherweise einen Wandel erfahren. Die Vorstellung wäre möglicherweise vielfältiger als man denkt. Jedenfalls dreht „Sänger*innen“ die Vorstellung einfach um, man stellt sich nur Frauen vor (wenn ich die Quelle finde, poste ich sie hier). Kann man machen, aber dann muss man auch mit Verbrecher*innen und Mörder*innen konsequent leben. Der Satz: „Die meisten Verbrecher*innen sind Männer“ ist aber auch ein bisschen komisch.

    Jedenfalls ist das Zitat von Pusch erst einmal eine Behauptung, und möglichweise würde sich diese Behauptung heute nicht mehr als richtig erweisen. Viele Wörter haben einen Bedeutungswandel erfahren, so vielleicht auch Lehrer, Arzt und Sänger.

    Wie gesagt, es ist nur ein Gedankenexperiment, das eigentlich hinfällig ist, weil wir das Rad der Zeit nicht zurückdrehen können. Wir müssen jetzt damit leben, in der Sprache nicht allen immer konsequent gerecht zu werden.

    Hat man eigentlich schon das Auslassungszeichen in Betracht gezogen? So wie bei Rock’n’Roll? Also: Ärzt’innen? Das ist doch eigentlich das Zeichen der Wahl?!

    Update: Jemand hat mir dieses Video geschickt. Das bestätigt, was ich mir dachte.

  • Student innen

    Mein Gehirn stolpert jedes Mal, wenn es „Student innen“ hört. Ich muss es dann immer beiseite nehmen und erklären, dass es das ausgesprochene „Student:innen“ oder „Student*innen“ ist.

    Man bräuchte einen Laut für das Sternchen oder den Doppelpunkt, ähnlich dem Klicklaut. Ich schlage diesen hier vor.

    Was sagen die Phonet(pft)innen dazu?

    Update: Es gibt (gab) bereits einen Haufen Überlegungen dazu.

  • Es ist ziemlich schlau, Fragen zu stellen

    Affen können zwar Zeichensprache lernen, aber sie stellen keine Fragen. Ich habe mir darüber bisher nie Gedanken gemacht.

    Man forscht schon seit langem zu Sprache, Bewusstsein und Intelligenz bei Tieren und verschiebt damit die Grenzen zwischen Tier und Mensch. Tiere können Zeichensprache lernen, haben eine Art von Bewusstsein und zeigen verschiedene Grade von Intelligenz.

    Allerdings stellt kein Tier Fragen. Selbst wenn es eine Art von Selbstbewusstsein hat, so fehlt ihm doch wahrscheinlich ein gewisser Grad an Abstraktion und vor allem eine Vorstellung von Bewusstsein losgelöst von sich selbst und die daraus resultierende Neugier.

    Fragen stellen (Warum ist …?) ist eine Stufe von Bewusstsein die eine ganz andere Art von Beziehung herstellt als die der direkten Interaktion. Dass es überhaupt ein anderes Bewusstsein gibt, scheint eine typisch menschliche Eigenschaft. Was sonst ist ein Gottesbegriff? Am Anfang hat Gott den Menschen nicht erschaffen, irgendwann hat sich der Mensch einen Gott vorgestellt.

    Eine Frage setzt voraus, dass ich davon ausgehe, das es jemanden gibt, der diese Frage versteht. Eine mindestens mir gleiche Form von Intelligenz. Wer davon ausgeht, hat einen höheren Grad an Intelligenz. Neugier, Interesse und Fragen stellen sind ein Zeichen höherer Intelligenz.

    Fragen stellen ist eine außerordentlich intelligente Fähigkeit.

  • DeepL

    Sieh an, DeepL kann jetzt auch Grammarly. Damit werden meine Texte von einer fleißigen, braven Maschine verbessert, die klingt, wie ein emotionsloser Muster-Schüler. Vorbei die Zeit herausgehauener Sätze, die ins Blaue schießen. Ab jetzt wird alles glattgeschliffen.

  • Giftige Beziehungen

    Der Begriff „toxisch“ für die Beschreibung von Beziehungen wurde aus der Pharmakologie übernommen, um Gewalt, Missbrauch und Abhängigkeit zu benennen. Man dramatisiert damit etwas künstlich, was real schon schlimm genug ist. Es klingt nicht nur schief und falsch. Er trifft auch die Sache nicht. Was in diesen Beziehungen passiert, ist etwas völlig anderes. Gift bewirkt etwas vollkommen anderes. Das wäre in etwa so als würde ich eine Art von Beziehung als „lecker“ bezeichnen.

    Der Begriff ätzend wird in der Umgangssprache auf eine ähnliche Weise verwendet. Unsere Eltern können ein Lied davon singen, wie hoch der pH-Wert unserer Umgebung von uns Jugendlichen damals eingeschätzt wurde. Offensichtlich waren wir vollkommen übersäuert. Der Begriff passte für uns, war aber eindeutig als Jugendsprache zu erkennen. „Toxisch“ begegnet einem plötzlich überall.

    Giftig ist etwas, wenn ein Stoff auf den Körper so einwirkt, dass seine Gesundheit ernsthaft in Gefahr ist und man davon sterben kann. Gift ist potentiell tödlich. Ich habe ein Problem damit, wenn das Drama, das Bild zu sehr das bestimmt, was ich mit mehr professioneller Distanz betrachten würde. Je genauer und präziser ich die Sache beleuchte, um so besser.

    Beziehungen sind komplex, bleiben komplex und sie werden es immer sein und aus der Nummer kommt man nicht raus.

    Warum müssen wir etwas so dermaßen überbetonen, wenn doch bereits die geringste Form nicht akzeptiert ist? Wenn das Geringe als nicht mehr wichtig genug erscheint, dann haben wir hier ein Problem. Dann muss man nicht sprachlich aufrüsten.

    Es ist eben genau der Punkt, das man etwas nicht möchte, obwohl es kein Drama ist. Das ist für mich der Punkt. Es ist genau das, was wir vielleicht als Übersensibilität wahrnehmen, weil man offensichtlich das Maß verloren hat und nicht das Geringste als Regel hat. Sowohl die Übersensiblen sind verantwortlich für ihre eigene Sensibilität als auch die Groben für ihre mangelnde Rücksicht. Es gehören immer zwei dazu und es muss nicht immer gleich ein Drama sein, damit man die Hoffnung hat, dass sich auch tatsächlich etwas ändert. Ändert sich nichts, muss man dringlicher werden, nicht dramatischer.

    »›Toxische Beziehung‹ ist kein wissenschaftlicher Begriff«, stellt etwa Christian Roesler klar. Er ist Paartherapeut und Professor für klinische Psychologie an der Katholischen Hochschule Freiburg und findet, die Bezeichnung vermittle in vielen Fällen ein falsches Bild davon, was passiert, wenn Beziehungen schieflaufen. »Anders als der Begriff ›toxisch‹ suggeriert, gibt es in den allermeisten Fällen nicht einen Partner, der sein Gift verströmt und im Alleingang die Beziehung zerstört. Dysfunktionale Beziehungen sind immer ein Zusammenspiel.«

    Gift für die Seele