Hi, I’m Martin

  • The Blue Nile

    Ich denke regelmäßig, dass ich für The Blue Nile hier einen Post schreiben sollte. Ich habe es deshalb gelassen, weil ich meine Leidenschaft für diese Band mit niemandem damals wie heute teilen konnte. Es hat etwas ausgesprochen Heimliches und Romantisches, aber eben auch etwas dadurch unglaublich Einsames.

    The Blue Nile hörte ich still allein vor mich, ich hatte mir das Album A Walk Across The Rooftops gekauft und war unvergleichlich gerührt von der Musik. Ich habe nie irgendwo etwas von ihnen gehört, kein Konzert, keine Erwähnung, kein Airplay.

    Auch die darauf folgenden Alben hörte ich leidenschaftlich gerne, ebenfalls allein.

    Vor vier Jahren brachten Pure Bathing Culture eine EP mit Coverversionen raus. Das fand ich sehr mutig. Eine Hommage.

    Ich wusste nicht dass, Annie Lennox, Keane und Rod Steward The Downtown Lights gecovert haben.

    Jetzt hat Taylor Swift den Namen und den Titel in dem Lied Guilty As Sin auf ihrem neuen Album erwähnt:

    Drowning in the Blue Nile
    He sent me ‚Downtown Lights‘

    Mal sehen, ob The Blue Nile jetzt verspätet etwas bekannter wird.

    Es ist nicht nötig, ihre Alben zu remastern, die Aufnahmen und die Produktion war damals schon perfekt und außergewöhnlich gut.

    Vor ein paar Tagen hat ScottishTeeVee ein (damals noch) heimlich aufgenommenes Konzert gepostet.

    Eine Rarität.

  • Bone Smoke

    Das Stück fand ich grandios. Da rennt man bei mir aber auch offene Türen ein, wenn man das Aussterben und den utopischen Neubeginn einer neuen Lebensform zum Thema hat.

    Ich bin einfach immer wieder begeistert, wie Tanz mit so wenigen anderen Mitteln als denen, die der Körper hergibt, im wahrsten Sinne des Wortes Großes verdichtet.

    Das ist utopisch und poetisch. Die Kommunikation von Komprimiertem ist das, worauf es (mir beim Betrachten) ankommt.

    Kunst ist die Kunst des Weglassens.

    https://www.rnf.de/mediathek/video/theater-backstage-bone-smoke

  • Der Trafikant

    Es war mein zweites Theaterstück.

    Nichts für mich, und damit meine ich Theater generell.

    Ich habe nach dem Stück lange mit der Gruppe diskutiert, mit Freunden gesprochen und darüber nachgedacht. Es hat mich genug Zeit und Nerven gekostet.

    Vielleicht lese ich das Buch mal, einfach aus Interesse. Ich fürchte nur, dass das Buch auch nicht so viel hergibt. Mich interessiert nur, ob die problematischen Punkte im Buch stecken (stehen) oder im Theaterstück.

  • La La Land

    Ich konnte dem Film beim zweiten Mal deutlich mehr abgewinnen, aber trotzdem längst nicht genug.

    Nichts für mich.

  • Literature Map

    Gute Idee und hätte ich letztens gebraucht, deshalb hier der Link:

    https://www.literature-map.com

    „The Literature-Map is part of Gnod, the Global Network of Discovery.

    It is based on Gnooks, Gnod’s literature recommendation system. The more people like an author and another author, the closer together these two authors will move on the Literature-Map.“

  • Grit

    Ich habe mir Grit zweimal angesehen, einmal privat und einmal als Schulausflug. Meine Tanzlehrerin tanzt dort mit.

    Ich war sehr begeistert, und ich war vorher sehr skeptisch. Ich hätte nicht gedacht, dass das funktioniert. Dass es funktioniert hat, ist allen Beteiligten zu verdanken: Chapeau!

    Zur Idee: Die Tanzkompanie leiht sich die Step-Arobic-Boards aus dem Fitness-Studio aus und erarbeitet zu dem Thema eine Choreografie und Geschichte.

    Einerseits wird das Stück seinem kritischen Anspruch gerecht, als auch seiner liebevollen Begeisterung für Tanzbewegungen als solche. Schweißtreibende Durchhalte-Fitness ist fragwürdig und doof, aber macht auch unheimlich Spaß. Sie haben den orginalen Step-Arobic-Kurs mittanzen lassen, und ich fand das alles unglaublich sympathisch. Den Mut, so etwas Schräges und Altmodisches zu machen, muss man erst mal haben, und dann noch in einem Stück mit kritischem Anspruch auf der Bühne zu stehen, dafür habe ich großen Respekt.

    Ich hätte mich hinterher sofort zu einem Step-Arobic-Kurs angemeldet, aber das Studio ist recht teuer, nur für einen Kurs lohnt sich das nicht. Mich juckt es immer noch in den Füßen.

  • Die Welt beschreiben

    Im Biologiestudium habe ich gelernt, dass man erst einmal beschreiben muss, was man vor sich hat, um es zu erkennen und darüber sprechen zu können. Generationen vollziehen diesen Schritt des Beschreibens beim Lernen immer wieder von vorne. Das kostet Zeit und Energie. Manche sparen sich das und halten Kindern Vorlesungen und Vorträge. Ich auch.

    Die Hirnforschung hat gezeigt (und damit meine ich auch die jahrhundertalte Denkbetrachtung in der Philosophie oder Pädagogik oder Psychologie), dass diese Komprimierung von umfangreichen Informationen in einfachen Bildern und Begriffen, die schnell transportiert und kommuniziert werden können, uns überhaupt in die Lage versetzen so zu denken, wie wir denken. Schnell, flexibel und bestätigend zu denken ist uns eigen und unser Vorteil. Blöderweise vergessen wir oft das „flexibel“. Braucht man das überhaupt oder kostet das nur unnötig Zeit und Kraft? Das muss jeder für sich selbst beantworten. Das ist individuell verschieden. Ich denke aber, wir brauchen das wieder mehr. Und ich beobachte um mich herum, dass Menschen wieder mehr ihre Umwelt befragen und Begriffen nicht einfach hinnehmen und sich einfach etwas sagen lassen.

    Ich kann mit einem Kind spazieren gehen und die Dinge benennen. Wir geben ihnen einen Namen und denken und sprechen mit diesem Namen. „Das ist eine Eiche“. Als sei damit schon alles gesagt.

    Menschen haben immer die Natur betrachtet, gezeichnet und gemalt. Sie haben beobachtet, sie haben angeschaut. das Bild hat ihnen bestätigt, was sie sehen. Der Name, das Wort, war zweitrangig. Deshalb sprechen wir von „Buchwissen“ und meinen damit Halbwissen.

    Ich habe im Laufe des Lebens meine Naivität vermisst, die Fähigkeit zu erleben. Alles schien mir bekannt und für jedes und alles ein Begriff gefunden. Das fühlt sich erwachsen und reif an: für alles ein Wort zu haben und nur noch in diesen Überbegriffen zu sprechen.

    Mein Gehirn hat dadurch an Flexibilität verloren. Mein Denken wurde eingleisig. Schlimmstenfalls landete ich in einer Sackgasse. Ich musste wieder lernen zu erleben, zu betrachten, zu beschreiben, und dann das zu kommunizieren, in Texten und Gesprächen. Ich habe immer geschrieben und mich unterhalten, aber die Gespräche wurden funktionaler, ich musste aufpassen, was ich sage. Ich bin berufstätig und habe Kindern, Paargespräche wurden Analysegespräche.

    Beim Tanzen habe ich eine Kommunikation, eine Flexibilität und ein Verständnis erlebt (und erlebe es immer noch und immer wieder), das mich umhaut, sprachlos macht oder sprachlos bleiben lässt. Tanzen gab mir die Freude an meiner kindlichen Erlebnisfähigkeit zurück. Wir reden auch darüber, und das ist ein anderes Reden. Ich rede wieder mit Freunden über Musik, ich mache Musik, wir reden darüber, was wir da machen. Ich rede über den Tanz. Ich rede mit völlig unterschiedlichen Menschen über Aufführungen im Theater, die wir gemeinsam ansehen.

    Und ich schreibe hier im Blog.

    So sind wohl die Phasen: Kindheit (Erleben), Jugend (Umgestalten, Experimentieren) … und dann? Reife? Alter? Erwachsensein? Für alles ein Wort haben und über alles eine Meinung? Sich seiner selbst sicher sein und immer wieder rück- und neu versichern? Experimentieren, Betrachten und Beschreiben ist keiner Entwicklungsstufe zugeordnet, es ist eine Fähigkeit, die man verlernt oder immer wieder anwendet und beibehält.

    Schreiben zu lernen hieß für mich beschreiben zu lernen, Wort zu finden für sehr komplexe Situationen und Gefühle. Ich habe für den Moment klare Gedanken und Aussagen gefasst, die mich zum Handeln uns Sprechen bewegten. Schreiben ist Training und Übung, es ist ein Versuch, ein Ausprobieren. Ich probiere mich aus, ich probiere meine Gedanken aus.

    Ich lese das immer wieder in Blogs, dass es anderen auch so geht. Und was ich immer bewundere, was ich nicht gut kann, ist Texte und Aussagen so stehen zu lassen. Auch das ist Freiheit: seine eigenen Raum kennen zu lernen, immer wieder neu zu erforschen, sich ausprobieren.

    „Versuch, irgend etwas Vernünftiges zu erkennen“ könnte dieses Blog auch als Untertitel haben.

    Wir reden bis heute vom Tintenfisch und es stört niemanden, dass es kein Fisch ist. Kultur ist so herrlich krumm und schief.

  • Poor Things

    Eine Groteske über Sexualität und körperlich-geistige Entwicklung und darüber hinaus natürlich dann über Beziehung und Gesellschaft.

    Marry Shelley’s Frankenstein meets Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro meets Bioshock Infinite.

    Achtung: Es ist kein Film für die Familie; jedenfalls nicht für meine. Den Film guckt man sich am besten in kleinem vertrauten Kreis an – alleine, zu zweit oder auch mehr. Den Warnhinweis habe ich vermisst. Wenn ich aus Versehen mit meinen Töchtern in den Film gegangen wäre, hätten wir den Saal spätestens nach 10 Minuten verlassen müssen. Zum Glück. Wie zur Hölle kann man den unter Science Fiction und Komödie sortieren?! Genau so wenig kann ich verstehen, weshalb man Das Parfüm in der Schule liest. Das wäre wirklich mal einen eigenen Eintrag wert. Über Intimität, Sexualität und dem Reiz ihrer dunklen, bodenlosen Tiefe wie auch himmelhoch jauchzenden Ekstase. Dem Verhältnis von körperlicher Realität und unserer unvorstellbar unvorstellbaren Vorstellungen. Sexualität ist das Zusammenspiel von Körper und Geist. Deshalb halte ich Warnhinweise wie „Sexuelle Inhalte“, weil eine Brustwarze gezeigt wird oder überhaupt bloß Körper oder Körperteile gezeigt werden, für völlig absurd, denn darauf allein kommt es überhaupt nicht an.

    Ich fand ihn sehr gut, einer besten Filme der letzten Zeit. Ästhetisch war mir das manchmal ein bisschen zu verzerrt, mit dem Fisheye- und Lochkamera-Effekt konnte ich nicht so viel anfangen. Ich kann mit solchen zu starken ästhetischen Effekten nicht viel anfangen und fand sie zu viel. Farben und Kostüme hätten mir gereicht.

    Die Film spricht so viele Aspekte von Geschlecht, Sexualität, Lust, Beziehung, Ehe und Gesellschaft an, dass er von vorne bis hinten Spannung und Interesse aufrecht hält, was natürlich auch an seiner sehr guten Dramaturgie liegt. Hinterher hat man genug zum Nachdenken. So etwas liebe ich. Und Hanna Schygulla mitspielen zu lassen, ist ja fasst schon eine ähnliche Ansage wie Therese Giehse in Black Moon.

    Emma Stone spielt großartig.

    „I don’t really like going into an analytic conversation about what it means, what the themes are, what the characters are,“ the filmmaker said in a new interview with Variety. „I feel confident about the script. So that means it conveys a lot of things, I think, to intelligent people. So there’s no need to discuss it further.“

    He added, „I actually think it’s dangerous to go too much into those conversations because things start becoming a little too one-dimensional. Like there’s only this aspect of this film, and this is what we’re thinking this is, what we’re trying to do. I try to make films more open than that.“

    Yorgos Lanthimos

    Exactly.

    Tolle Musik auch und tolle letzte Worte: „It is all very interesting, what is happening.“

    Weiterführende Literatur und Filme: Frankenstein, Angela Carter und natürlich die Buchvorlage selbst, die ich vielleicht mal lesen werde, hier besprochen in der New York Times. Aber auch Black Moon von Luis Malle und Margreth Atwood und natürlich Buñuel. Da gibt es eine ganze Menge zu entdecken, alles über Motive vernetzt.

  • Das Lehrerzimmer

    Toller Film, tolles Drehbuch, tolle Schauspieler und Schauspielerinnen. Konzentriert und pointiert erzählt.

    Ich hatte Schlimmeres erwartet, denn der Film beginnt als Horrorfilm: Eine Mathelehrerin stellt der 7. Klasse die Aufgabe, zu diskutieren, ob Nullkommaneun Periode das gleiche ist wie Eins. Natürlich muss die Begründung mathematisch hergeleitet werden. Als die Lehrerin fragt: „Hat es noch jemand nicht verstanden?“ strecke ich meinen Finger in die Luft und rufe laut: „Ich!“ Ich verstehe den Stoff der 7. Klasse nicht.

    Ein Kunstgriff, wie man schnell merkt(1). Knallhart und sachlich lässt die Lehrerin einen Großteil der Klasse und das gesamte Publikum dumm dastehen.

    Diese Präzison durchzieht den gesamten Film.

    Die Lehrerin will alles richtig machen, ihr Gendern fällt auf (der Film heißt „Das Lehrerzimmer“). Ihre Arbeitsbelastung ist hoch, ihre Beherrschung fast übermenschlich, Konflikten begegnet sie sachlich und ohne Scheu vor direkter Konfrontation. Im Laufe der Geschichte zeigt sie Empathie, Verständnis und soziale Verantwort für sämtliche Schülerinnen und Schüler, was die Verantwortung und Arbeitsbelastung noch erhöht. Das ist ein Superheldinnenfilm.

    Zum Problem des eigentlichen Falls: Spontan dachte ich „Gelegenheit macht Diebe“, deshalb hätte man hier vielleicht auf Prävention setzen sollen: Bargeld, immer am Körper tragen, nie mehr als Notgroschen. Den Fall auch gar nicht an die große Glocke hängen. Nulltoleranz ist ja auch geradezu ein Einfallstor dafür, dass Kommunikation schief läuft und sich irgendwann irgend etwas entlädt. Das ist sicher Absicht im Film und der Haken an der Sache. Es beginnt also bereits mit einer falschen sachlichen Vorgehensweise, das bringt die Geschichte ins Rollen. Man kann zwar nicht immer alles richtig machen, aber manches verhindern können, mit Toleranz und Fingerspitzengefühl. Die Superheldin scheitert an ihrer Vorstellung von Mechanik an einem (scheinbar) mechanischen, funktionierenden System, das aber emotional gesteuert wird. Das ist Leben, so sind Menschen.

    Der Film endet kunstvoll mit der Offenlegung der Schaubühne, auf der uns ein Drama vorgeführt wurde.

    1: „Die Lücke, die zwischen 0.999…9 und 1 geklafft hat, wurde in die Unendlichkeit verschoben. Das ist das Tückische, wenn man mit Unendlichkeiten arbeitet: Die Ergebnisse entziehen sich meist unserer Vorstellungskraft. Deshalb darf man seinem Bauchgefühl in diesem Bereich nicht trauen.Ist 0,999… gleich 1? [Anmerkung von mir: Es ist nicht ein Gefühl, das uns täuscht – also, ich fühle da nichts – sondern die Vorstellung, das innere Bild].

  • Your Power

    Ich habe mich spontan aufgerafft, Your Power von Billie Eilish zu covern. Eigentlich wollte ich es nur testen, aber das technische Setup ist so gut, dass ich in fünf Takes mit dem Ergebnis zufrieden war. Also raus damit.

    Your Power hat einen Reggae-Rhythmus, der sich in drei Stufen herauskristallisiert, wenn der Bass dazu kommt, ähnlich dem Stück von The xx Say Something Loving, bei dem man die Dub-Grundlage deutlich hört.

    Finneas und Billie beherrschen die Komprimierung und Reduzierung, so wie The xx sie beherrschten.

    Die Gesangsmelodie legt sich in sehr feiner, komplexer Form über ein sehr breites Spektrum über die Akkordfolge Cmaj7, Am, Em. Der Text bohrt sich fein säuberlich in die Magengrube, irgendwo zwischen verstehen und angewidert sein. Das ist das Schlimme an der Situation: die anderen machen sich die Gedanken.