Vor ein paar Jahren saß ich an einem sonnigen Tag in meiner Lieblingsbar und genoss das Dasein. Hinter der Theke bediente eine junge Frau, die ihre Playlist laufen ließ. Nette Auswahl, dachte ich. Sie spielte Curtis Mayfield, Marvin Gaye und andere soulful classics, ungewöhnlich für ihr Alter, ungewöhnlich die geschmackvolle, elegante, gefühlvolle, leidenschaftliche Mischung. Als Sades Love Is Stronger Than Pride lief, drehte ich mich, sah ich sie fragend an und rief:
„Wie kommst Du zu solch einer Musik?!“
Sie strahlte mich an und antwortete etwas, das ich nie vergessen werde:
„Es gibt nicht mehr viele von uns.“
Ich fand den Satz merkwürdig, aber auch passend. Ich wusste nicht genau, wie das „wir“ gemeint war, ich konnte es aber ahnen; sie schloss mich ein, und ich wusste nicht genau, worin.
Ich hörte noch einige Zeit zu. Beim Bezahlen sagte ich:
„Danke für die Musik“.
„Danke für’s Zuhören sagte sie“.
Es war ein besonderer Moment in meinem Leben, in dem Musik ein Teilen von etwas war, das ich nie so richtig beschreiben konnte. Es hat mit Subkultur zu tun, mit Romantik, Leidenschaft und Groove. Einer Liebe zum Tanz und zu Bewegung als sei man von einem inneren, rhythmischen Motor angetrieben. Und wenn man jemanden trifft, der im selben Rhythmus läuft, fühlt man sich angezogen wie so ein Magnet. Ihre Playlist entsprach keinem Genre, sondern einem Gefühlscocktail, der über britische Subkulturen zu uns kam. Soul hat mich bisher mit niemandem wirklich verbunden.
Bis letzte Woche hatte ich auch noch nie etwas von Northern Soul gehört bzw. hatte mir nichts bei dem Begriff gedacht oder etwas Bestimmtes vorstellen können.
Ich hatte ein TikTok-Video von Northern Soul-Tänzern auf Reddit gesehen und wurde neugierig.
Ich hatte ja keine Ahnung!
Zeit, das aufzuarbeiten, und jetzt bin ich angefixt.
Es ist eigentlich nicht so, dass ich schon wieder etwas Neues, sondern ein weiteres Puzzleteil entdeckt habe; es lag die ganze Zeit vor der Nase, aber erst wenn man es in die Hand nimmt und sich näher anguckt, entdeckt man, wie es sich in die eigene Geschichte einfügt.
Ursprung
Northern Soul entwickelte sich aus der Mod-Szene Ende der Sechziger im Norden Englands. In Manchester, Stoke-on-Trent und Wigan spielten DJs in Clubs alte, rare Soul-Platten. Alkohol gab es nicht, dafür Amphetamine.
Wigan Casino
„The Wigan Casino is the colloquial name for the nightclub the Casino Club, that operated in Wigan between Friday, August 27 1965 (with Shirley Bassey topping the bill)[citation needed] and 1981, associated with the Northern Soul movement in the UK. The club’s enduring dedication to Northern Soul „all nighters“ made it an icon among fans of the genre, continuing the efforts that other clubs such as the Twisted Wheel in Manchester, the Chateau Impney (Droitwich), the Catacombs (Wolverhampton) and the Golden Torch (Tunstall, Stoke-on-Trent) had started. It remains one of the most famous clubs in Northern England. In 1978, allegedly the American music magazine Billboard voted Wigan Casino „The Best Disco in the World“, ahead of New York City’s Studio 54, although there is no tangible evidence of this award ever being publicised.“
https://en.wikipedia.org/wiki/Wigan_Casino
Musik
Man kennt Tainted Love von Soft Cell. Als ich das Original hörte, dachte ich erst, das sei eine auf alt gemachte Version. Es ist genau anders rum: Das Original war ein Klassiker im Wigan Casino – zusammen mit What, das ursprünglich von Melinda Marx (Tochter von Groucho Marx) auf einer Promitional Copy veröffentlicht wurde, und danach von Judy Street in einer schneller Version. Beide Songs wurden von Soft Cell gecovert.
The record was exported to England and it was picked up by DJs at Wigan Casino, a major nightclub in the northern soul music scene. Soon, „What“ became the track most played, going on to be a hit on the northern soul nightclub circuit and be ranked 23 of 500 northern soul singles. Following a resurgence of popularity for northern soul music in England in 1977, the song was re-released, and again in 1982 with a B-side by Hi-Fly. A cover version of „What“ by British synthpop group Soft Cell reached Number 3 in the UK and Number 6 in Ireland in 1982. Street was unaware of the popularity of the song and never toured the UK.
Northern Soul Shuffle
Getanzt wird ein Shuffle-Tanzstil, den man auch auf voller Tanzfläche auf kleinem Raum tanzen kann, kombiniert mit Street Dance-Elementen.
Den Kanal von Levana auf Youtube kann ich sehr empfehlen.
Filme
Soul Boy
Guter Film, den ich mir auf DVD besorgt habe; synchronisiert ist er erträglich, aber kein Genuss. Klassische Elemente eines romantischen Tanzfilms, was ja nicht schlecht ist, außer, man erwartet mehr. Und auf jeden Fall einer der besseren Tanzfilme.
Northern Soul
Muss ich mir noch besorgen.
Tanzabende
Northern Soul-Abende habe ich nur in Köln und Berlin gefunden. Oder bei mir zuhause.
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