Körper

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  • Sonntag

    Ich habe das Zimmer sauber gemacht, Wäsche gewaschen, zwei Döner für mich und die Tochter geholt. Den Döner aufgegessen, anstatt nach der Hälfte aufzuhören. Ich hatte einen Termin zur Thai-Massage und wollte nicht mit vollem Bauch hingehen.

    Vor vier Jahren war ich zum ersten Mal zur Massage und begeistert. Ich hatte noch einen Gutschein geschenkt bekommen, aber dann kam der Meniskusriss dazwischen.

    Jetzt bin ich wieder hergestellt und hatte mir endlich einen Termin geholt, zumindest wollte ich das Geschenk auf diese Weise einlösen. Ist ja auch nicht so teuer, eigentlich unverschämt günstig. So kommen die Kunden, man muss dann halt ordentlich Trinkgeld geben.

    Leider kann ich kein Thai, ich hätte gerne gewusst, worüber die parallel arbeitenden Masseurinnen sprachen. Etliche Gelenke knackten, sie lief auf meinem Rücken rum, massierte die harten Stellen aus. Das machte sie ziemlich gut. Ich sollte dringend öfter hingehen.

    Ich hatte eine Karte für das Tanzstück Encantado von Lia Rodrigues geschenkt bekommen, weil eine Freundin von uns nicht hingehen konnte.

    Zwischen Massage und Theater hatte ich zwanzig Minuten. Um noch eingelassen zu werden, musste ich laufen. Das Taxi weigerte sich, mich zu fahren, wenn ich mit Karte zahlen will. Geld gespart, weiter gerannt. Ich schaffte es rechtzeitig.

    Das Stück baut sich sehr langsam auf, endet dann aber gewaltig. Am Schluss bleibe ich noch zur Diskussionsrunde mit zwei der Tänzer. Das war gut und interessant.

    Die Tänzer kommen nackt auf die Bühne und tanzen mit etwa 140 Stoffteilen, mit denen sie kunstvolle, kreative Figuren bilden, sich damit kleiden, schmücken, den Körper verändern.

    Was da so improvisiert und chaotisch aussieht, ist in Wirklichkeit komplett durchchoreografiert. Die Tänzer müssen von vorne bis hinten den monotonen Rhythmus mitzählen und wissen ganz genau, welchen Stoff sie wann und wie zu benutzen haben. Das ist eigentlich unvorstellbar und total irre.

    Das Stück wurde weltweit etwa 150-mal aufgeführt und hat vor kurzem einen Preis bekommen.

  • Forever young

    Moment mal, Tori Amos ist 61. In Worten: einundsechzig.

    Warum sieht sie hier wie Mitte zwanzig aus?

    Update: blöde Frage, plastic surgery.

  • Das Wochenende: Deichkind, Workshop, Filme

    Freitag war ich bei Deichkind. Ich habe die nie so richtig ernst genommen, bis ich von zwei Freunden, deren Meinung zu Musik ich sehr schätze (nicht den Geschmack teile!), auf sie aufmerksam gemacht wurde, live und von Platte.

    Das Konzert war um die Ecke, 20 Minuten schöne Radstrecke am Neckar lang. Da musste ich hin. Und es war tatsächlich grandios. Was für eine gut gemachte, liebevolle Show. Kann man nichts sagen, nur wärmsten Herzens empfehlen. Hier ein Audio-Live-Mitschnitt eines aktuellen Konzerts.

    An dem Wochenende hatte ich dummerweise auch einen Tanzworkshop von Freitagabend bis Sonntagnachmittag gebucht. Ich kann so schlecht „Nein“ sagen. Die Lehrerin macht wirklich guten Unterricht, den ich sonst so nicht bekomme, allerdings bin ich langsam zu alt für den Scheiß bzw. das Niveau. Ich kriege die Choreografie nie schnell genug in meinen Kopf, schon gar nicht in meinen Körper, und am Ende stehe ich immer nur schweißgebadet, fast kollabiert und mit schmerzendem Körper da.

    Nach dem Deichkind-Konzert schickt sie das Video von dem verpassten ersten Teil, der alleine hätte mir für drei Tage gereicht. Naja, die Hälfte von dem, was sie macht, würde mir reichen.

    Samstag war ich platt, schlief eine Stunde und sehnte die Nacht und den Schlaf herbei. Am Sonntag raffte ich auf, links auf der Schulter den Drill-Instructor, der mich anbrüllt, rechts auf der Schulter der Kobold, der mir „Meld‘ dich krank“ ins Ohr flüstert. Ich überlege, meinen Meniskusriss vorzuschieben, aber meinem Knie geht es gut.

    Ich konnte mich nicht mal vor dem Schlussvideo und dem Schlussfoto drücken. Das Video habe ich mir leider angesehen. Das Foto landet bei ihr auf Instagram und Facebook. Man sieht mir meine Erschöpfung nicht an. Das ist das Problem. Ich sehe immer aus, als müsste ich mich nur aufraffen, aber ich bin wirklich platt. Wirklich schlecht sehe ich nur aus, wenn ich müde bin und zu wenig Licht, Spaß und Bewegung habe. Ich möchte gerne gesund und ausgeglichen aussehen und nichts tun.

    Am Sonntag liege ich auf dem Sofa und kann mich nicht mehr rühren. Ich übe ein bisschen Concertina und sehe mir zwei Filme an.

    Barbarian

    Gut gemachter Horrorfilm. Gut gespielt, ordentliche Story. Mit einfachen Mitteln gedreht, was völlig ausreicht, wenn der Rest stimmt.

    The Killer

    Ein David Fincher. Mit Michael Fassbender, der seit The Light Between Oceans mit Alicia Vikander zusammen ist – so viel Gossip muss sein. Musik von Trent Reznor und Atticus Ross, aber eigentlich von The Smiths. Verfilmung des Graphic Novels (was ich nicht wusste, und dessen ersten Band ich mal gelesen habe, mit dem ich aber nichts anfangen konnte).

    In der ersten viertel Stunde dachte ich noch, dass das so nicht weitergehen kann. Schablonenkiller, der mit druckreifer innerer Stimme einen unglaublich öden Monolog führt. Das spiele ich lieber Max Payne 3 noch mal durch. Da muss noch was kommen, denke ich, aber da kommt nichts. Überhaupt nichts. Reine Formsache. Und was sollen diese Kapitel? Wie kann man 2023 noch so ausgelutschte Geschichten erzählen?! Auftragskiller und Mafia, das Ding ist durch. Die Realität hat die Fiktion eingeholt. Man muss dazu sagen, dass es eben nicht perfekt in der Geschichte läuft, was den grundsätzlich Reiz ausmacht, aber das ist mir zu wenig.

    Gerade Fincher hat mich gerade durch seine Stories gepackt. Der steht bei mir eigentlich ganz weit oben.

  • Darm und Ernährung

    Vor vierzehn Tagen hatte ich irgend etwas mit meinem Magen und Darm. Ich vermute, dass ich eine leichte Lebensmittelvergiftung hatte. Jedenfalls habe ich mich zwei Tage nur von Apfelsaftschorle ernährt.

    Da ich nur im Bett liegen konnte, habe ich Netflix angemacht, das mir als persönliche Empfehlung die Dokumentation Hack Your Health: Die Geheimnisse unserer Verdauung vorschlug. So ein Zufall. Woher wussten die?

    Durch die Doku führt die kluge und sympathische Giulia Enders. Ich könnte ihr stundenlang zuhören und habe festgestellt, dass sie ihr eigenes Buch vorliest, also habe ich es gleich bei Audible runtergeladen und werde es mir mal beizeiten anhören. Falls man mal eine sprechende KI auf Deutsch baut, möchte ich Giulia Enders Stimme einstellen können.

    Es geht in der Doku, wie auch in Giulia Enders Buch, um die Verdauung, vor allem aber um die Mikroben im Darm und wie man die Besiedelung durch Ernährung ändern kann.

    Ich hatte sowieso schon lange vor, meine Essgewohnheiten zu ändern. Ich esse viel zu viel Zucker, Brot, Fett, Nudeln, Chips und anderes Zeug, und viel zu wenig Obst und Gemüse. Ich esse immer wieder das Gleiche und habe kaum Abwechslung.

    Was mir die Doku klar gemacht hat, ist meine Konzentration auf Nährstoffe. Vielmehr scheint es mir sinnvoll, die Darmflora möglichst umfangreich zu pflegen, indem man alles Mögliche isst. Damit ich aber nicht zu viel esse, esse ich seit vierzehn Tagen viele kleine Mengen ganz unterschiedlicher Sachen. Ich versuche, möglichst immer etwas anderes zu essen, in kleinen Häppchen. Was immer mir in die Finger kommt und ich schon lange nicht mehr gegessen habe, nehme ich mit.

    Jetzt pflege ich den kleinen Zoo in mir.

  • Ein Meer voller Spaghetti

    Hirnforschung ist alleine schon wegen seiner immensen Größe ein gigantisches Projekt. Man geht inzwischen davon aus, dass das menschliche Gehirn aus etwa 100 Milliarden besteht, die etwa 500 Billionen Verbindungen haben. Dieses Netzwerk ist immer aktiv und ruht nie.

    500 Billionen!

    Die Möglichkeiten der Untersuchung, sind detaillierter geworden. CT-Bilder sind grob. Bunte Areale werden inzwischen viel genauer untersucht. Sie geben nicht wieder, wie Neuronen verbunden sind und miteinander Information austauschen.

    Der Austausch ist dynamisch und nicht so mechanisch oder automatisch, wie man denkt. Dabei werden immer andere Verbindungen genutzt. Erinnerungen werden nicht abgespeichert, sondern jedes Mal erzeugt. Erinnerungen werden zusammengesetzt und geben den Signalen, die von außen kommen seinen individuellen, auf den Körper abgestimmten Sinn. Es gibt keine „Festplatte“ im Gehirn. Bereiche sind multifunktional und können Arbeit und Aufgaben flexibel neu verteilen.

    Es geht im Gehirn zu wie im Zentrum des Stadtverkehrs mit Autos, Radfahrern und Fußgängern mit Kinderwagen und Rollator. Wenn man sich dieses zweidimensionale Bild des Verkehrs vor Augen führt und sich dann noch vorstellt, dass alle Beteiligten auch fliegen können, dann bekommt man eine ungefähre Ahnung von der dreidimensionalen Komplexität.

    Es findet im Gehirn ein permanentes Strömen und Fließen von Hormonen, Transmittern, Proteinen statt. Ein bisschen stelle ich seine Form mir wie ein Meer vor. Ein Meer, in dem ich Spaghetti koche. Neuronen nehmen miteinander Verbindungen auf und tauschen Stoffe aus. Sie stärken ihre Verbindungen und bauen Verbindungen wieder ab. Es werden Verbindungen optimiert, um noch schneller Information zu übertragen, und es werden Übertragungen gehemmt, in sehr großem Maße sogar. Es ist keineswegs einer Autobahn vergleichbar.

    Sebastian Seung hat 2012 das Projekt EyeWire begonnen, ein kollaboratives „Spiel“, bei dem es darum geht, Neuronen und ihre Dendriten zu färben, damit so ein dreidimensionales Modell des Netzwerks (Konnektom) entsteht. Natürlich ist das kein richtiges Spiel, sondern eine Arbeit, die so umfangreich ist, dass man sie auf möglichst viele Menschen verteilen muss.

    „A map of a full retina is definitely a big job. Eyewire is built around the E2198 dataset, which is a small section (just 350×300×60 µm^3[1]) of Harold’s (the mouse) retina.“

    What specifically am I working towards?

    „The EyeWire is based on the images that were acquired at the Max Planck Institute for Medical Research in Heidelberg, Germany. This dataset, known as E2198, was the basis of Wiring specificity in the Direction-Selectivity Circuit of the Retina. The source retina was obtained from a dark-adapted adult wild-type (C57BL/6) mouse.“

    „The researchers measured both neural activity and connectivity in the same retina by applying two imaging methods one after the other: two-photon microscopy (2P) and serial block-face scanning electron microscopy (SBFSEM).“

    https://wiki.eyewire.org/E2198

    1: cubic micrometer is equal to the volume of a cube with sides each measuring one micrometer (1 µm) in length

  • Wir haben nur ein Gehirn, nicht drei

    Tja, das muss ich dann wohl aus meinem Wissensschatz als „leider falsch“ streichen. Nicht einmal spaßeshalber will ich mit dieser Metapher mehr umgehen (was ich bisher tat, wenn ich versucht habe zu beschreiben, was ich tue, wenn ich Tanzschritte lerne, was mir ja immer schon etwas naiv verkürzt vorkam). Es tut mir leid, wenn ich daran beteiligt war, diese falsche Vorstellung zu verbreiten.

    Ich streiche die Begriffe „Reptiliengehirn“ aus meinem aktiven Wortschatz.

    Dieses Modell hier ist falsch wie das Modell einer scheibenförmigen Erde:

    Neocortex (Ratio, Mensch)
    Limbisches System (Emotionen, Säugetiere)
    Reptiliengehirn (Instinkt, Reptilien)

    „Sie tragen also keine innere Eidechse oder ein emotionales Tiergehirn in sich. Es gibt kein limbisches System, das für unsere Emotionen verantwortlich ist. Und Ihr (fälschlich) sogenannter Neocortex ist auch nichts Neues: Viele andere Wirbeltierarten haben dieselben Neuronen, die sich bei manchen Tieren zu einer Großhirnrinde entwickeln, wenn die entscheidenden Phasen lange genug andauern. Alles, was Sie über den menschlichen Neocortex, die Großhirnrinde oder den präfrontalen Cortex als Sitz der Vernunft lesen oder über den Frontallappen, der das angebliche Emotionsgehirn steuert, um irrationales Verhalten zu unterdrücken, ist schlicht überholt oder beklagenswert unvollständig. Das dreieinige Gehirn und sein epischer Kampf zwischen Emotion, Instinkt und Ratio sind ein moderner Mythos.“

    „Glücklicherweise müssen wir das gar nicht, denn eine von beiden ist schlicht falsch. „Die Geschichte vom dreieinigen Gehirn ist einer der erfolgreichsten und verbreitetsten Irrtümer in der Wissenschaft. Sicher handelt es sich dabei um eine faszinierende Geschichte, zumal sie widerspiegelt, wie wir uns gelegentlich fühlen.“

    „Jüngste Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Molekulargenetik zeigen, dass sich die Neuronen von Reptilien beziehungsweise nicht menschlichen Säugetieren und jene der Menschen gleichen, selbst die Neuronen, die den sagenumwobenen menschlichen „Neocortex“ bilden. Menschliche Gehirne sind nicht aus denen der Reptilien hervorgegangen, indem sie eigene Areale für Emotionen und rationales Denken entwickelt haben. Stattdessen ist etwas viel Spannenderes passiert. Wissenschaftler haben erst kürzlich herausgefunden, dass die Gehirne sämtlicher Säugetiere demselben Bauplan folgen, und vermutlich gilt das auch für die Gehirne von Reptilien und anderen Wirbeltieren. Viele Menschen – selbst viele Neurowissenschaftler – wissen das noch nicht. Und jene, die Bescheid wissen, stehen noch ganz am Anfang der Erkundung, was dies denn tatsächlich bedeutet.

    Lisa Feldman Barrett, Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn

  • Wie mein Gehirn funktioniert

    Die Ergebnisse der Hirnforschung der letzten Jahre bekomme ich nur am Rande mit und auch nur in Teilergebnissen. Ich habe nie mein Wissen auf Stand gebracht, was zur Folge hat, dass es mittlerweile überholt ist. So wie das Modell von der Geschmackrichtungslandkarte auf der Zunge (es gibt keine) oder dass Pluto ein Planet sei (er ist nur ein Zwergplanet).

    Was die Hirnforschung beobachtet und welche Begriffe sie verifiziert, ist mehr als Wortklauberei. Die Ergebnisse haben zentrale Begriffe verändert oder anders gewichtet, mit denen bzw. über die ich täglich spreche: Wahrnehmung, Realität, Gedächtnis, Umwelt, Kultur, Körper. Begriffe wie „Körperbuchführung“ oder „Vorhersageorgan“ sind neue, anschauliche Arbeitsbegriffe, die erst einmal reichen müssen.

    Ich habe mir das Buch „Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn“ von Lisa Feldman Baret besorgt und werde es jetzt regelrecht durcharbeiten, um nicht einfach bloß erstaunt zu sein oder einen Eindruck zu bekommen, sondern um wirklich meine Vorstellung über die Funktionsweise des Gehirns zu ändern. Es geht schließlich um mein zentrales Denkorgan.

    Und damit bin ich schon bei der ersten halben Lektion: Das Gehirn ist nicht zum Denken da. Das ist keine Spitzfindigkeit oder Wortklauberei. Man muss den Begriff Denken neu denken, denn unser Gehirn ist so etwas wie ein Vorhersageorgan, und zwar denkt es nicht nur Vorhersagen, sondern setzt motorische Abläufe bereits in Gang, wenn wir sie erst im Nachhinein als Absicht erkennen.

    Wir besitzen ein Gehirn, um damit unsere Körperbuchführung (Allostase) steuern. Alles, was wir zum Leben brauchen, wird über das Gehirn gesteuert, und das sind nicht nur Wasser und Brot, sondern auch sozialer Austausch, Kultur, und so weiter, weil wir auch das zum Leben brauchen, aber dazu später mehr. Es ist erst einmal ganz sinnvoll, sich diesen einen Sinn vor Augen zu führen: wir leben, um zu leben.

    Ich weiß leider nicht mehr, wo ich es gelesen habe (Feininger?), aber den einen Satz werde ich nie vergessen: physikalisch betrachtet, sind wir so etwas wie Durchlauferhitzer.