Ich hatte als Kind ein Klapprad mit Stützrädern, konnte aber nie ohne fahren. Alle konnten Rad fahren, ich nicht. Es war mir aber auch egal. Irgendwann kamen die ersten Bonanzaräder, coole Räder, Mofas. Ich wollte dann natürlich auch, habe mich auf eines gesetzt und fuhr los.
Meine Mutter kaufte mir ein Rennrad von Quelle, das mir eigentlich viel zu groß war, aber am ersten Weihnachtstag trug ich es nach unten, setzte mich drauf und war weg. Ich war von dem Rad nicht mehr runter zu kriegen. Ich fuhr durch Klövensteen, die Elbe runter und entlang, in die Stadt, durch die Stadt.
Ich entwickelte dicke Oberschenkelmuskeln, hatte aber Spaghettiärmchen, denn zum Lenken und Bremsen braucht man nicht viel Kraft. Als ich mit Ballett anfing, war ich körperlich geradezu prädestiniert. Meine Arme sind ein Witz, deshalb habe ich auch beim Kampfsport kein Land gesehen.
Als ich 17 wurde, bot mein Vater mir an, mir einen Führerschein zu bezahlen. Wozu, dachte ich, ich habe doch ein Rad. Von dem Geld kaufte ich mir eine E-Gitarre. Von meinem Abigeld ein neues Rad.
Ich zog für’s Studium nach Heidelberg und wohnte mit meiner damaligen Freundin in einer 1-Zimmer-Wohnung auf einem kleinen Bauernhof am Rand von Heidelberg, die wir komplett selbst ausgebaut haben. Küche reingebaut, Klo und Waschbecken, Holzofen. Müllabfuhr gab es nicht. Den Müll fuhr ich mit dem Rad zur Deponie.
Ich habe alles mit dem Rad gemacht. Mittlerweile hatte ich als Student auch gar kein Geld mehr für einen Führerschein oder ein Auto. Das Rad wurde zunehmend mein notwendiges Fortbewegungsmittel. Ich bin nicht mehr nur gerne gefahren, ich bin auch notgedrungen gefahren.
Am liebsten fuhr ich eine kleine Rennmaschine, die ich einem Kommilitonen für 200 Mark abgekauft habe. Es war ein kleiner, weißer Traum, allerdings für Einkauf und Stadtverkehr nicht so gut geeignet.
Die Räder danach waren so mittelgut. Ich hatte immer noch mein altes Abirad, ein Hollandrad, dass ich mittlerweile völlig umgebaut und umlackiert hatte, aber das Tretlager ging kaputt und 3-Gang-Schaltung ist auch nicht so der Bringer.
Zu der Zeit hatte man Mountainbikes für die Stadt, weil man mit denen Kantsteine hoch und runter brettern konnte und eine ordentliche Anzahl an Gängen hatte. Ich hatte ein billiges Mountainbike, was nicht lange hielt.
Für teure und gute Räder hatte ich nie Geld, außerdem war ich es gewohnt, recht einfache, zusammengeschraubte und individuell angepasste Räder zu haben. Ein Rad musste passen, wie ein Kleid.
Eines Tages brachte meine Frau ein altes Rennrad von einem Flohmarkt mit, das exakt das Modell war, dass ich als Kind bekommen hatte. Ein Standardmodell von Quelle. Ich habe es komplett auseinander genommen, gereinigt und mit neuen Teilen aufgebaut. Die Gangschaltung habe ich weggelassen, ein Gang reichte mir. Nach einiger Zeit hatte ich hinten zwei Mal einen Nabenbruch. Das war sein Ende.
Ich fuhr mittlerweile einfach nicht mehr gerne Rad, unter anderem, weil ich keines hatte, mit dem ich gerne fuhr.
Als das Kind ein neues Rad brauchte, sind wir zu einem großen Händler gefahren, und auch ich habe etliche getestet. So richtig überzeugt war ich von keinem, dabei war ich ziemlich entschlossen, mir auch eines zu kaufen. Die Dinger waren einfach nicht schlicht und stabil genug.
Vor drei Jahren habe ich ein gebrauchtes Rad gekauft, das viel Jahre in einer Garage stand. Im Kern gut in Schuss, aber völlig runtergekommen. Ich zog neue Schläuche und Mäntel auf, aber Gangschaltung, Bremsen und Felgen gingen kaputt.
Ich habe es zur Reparatur gegeben, weil der Rahmen, Tretlager und Vorbau noch völlig in Ordnung sind – schlichte, schöne Qualität. Das alles wurde ziemlich teuer, aber immer noch billiger als ein neues Rad. Ein gutes Rad (Crossbike) geht bei tausend Euro los, ich habe insgesamt fünfhundert für meines gezahlt, und es fährt sich absolut traumhaft. Wenn mir das jemand für 500 anbieten würde, so wie es da steht, hätte ich es niemals genommen und ihm einen Vogel gezeigt.
Nach sehr langer Zeit ist das ein Rad, das mir richtig gut gefällt und für meine Zwecke passt. Ich fahre gerade wieder richtig gerne.
Als Test bin ich gerade zur Tanzschule gefahren, hin und zurück 21 Kilometer. Für eine Strecke brauche ich 40 Minuten. Mal sehen, ob ich das jetzt regelmäßig mache. Das ist ja wie Biathlon: Radfahren und Tanzen. Das Wetter war optimal, ich bin nicht sicher, wie es wird, wenn es heiß, kalt, nass, windig wird.
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