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So aus der Ferne sind die Musik und der alte Tanz nur schwer zu lernen, also wollte ich mir Irland mal ansehen und so viel wie möglich an Information über die Kultur mitnehmen. Es war unser erster Urlaub ohne Kinder nach zwanzig Jahren, weil sie jetzt alt genug für ihre eigenen Wege sind, nur deshalb war dieser Urlaub in dieser Form nur möglich.

Ich hatte keine Vorstellung und kein Vorwissen über Irland, deshalb habe ich mich an anderen Rundreisen orientiert. Reddit erweist sich da als sehr nützliche Quelle, auch was Informationen über Irland angeht.

Ich hatte ja etwas Angst vor der Reise. Erstens wegen des Linksverkehrs im Miet-Auto, zweitens weil ich befürchtet hatte, dass ich durch das Herumreisen nicht genug Erholung bekomme. Immerhin ist das mein Urlaub und meine Hobbys werden mir manchmal selbst zu viel oder zu anstrengend und das sollen sie auf keinen Fall sein, immerhin mache das freiwillig und zahle auch noch Geld dafür. Wenn ich dafür bezahlt werden würde, wäre es etwas anderes.

Mein spezielles Ziel war es, einmal Traditional Music im Pub zu hören und vielleicht ein bisschen etwas über Sean Nós zu erfahren.

Es war viel besser und schöner als ich dachte, und ich habe sehr viel mitgenommen.

Es war eine Studienreise für mich, mit vielen Erlebnissen, Begegnungen und Gesprächen. Nächstes Jahr fahren wir wieder hin. Ich will zu einem Festival mit Musik und Tanz.

Das ist generell etwas, worauf ich mich immer wieder konzentriert habe: Ich gehe dort als Freizeit-Musiker und -Tänzer hin. Ich wurde dort auch sofort und problemlos als solcher gesehen und anerkannt. Geschichten und Musik verbinden das Land. Die Touristen, mit denen wir gesprochen haben, waren meistens Herumreisende, die irgendwann auch mal in Deutschland waren. Wir haben eine sehr sympathische globale und lokale Welt erlebt. Und alle waren sich einig, dass die Grundprobleme überall die selben sind. Ich habe sehr viel Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit erlebt. Wir haben auch Armut (in Dublin) und recht frustrierte, junge Menschen erlebt. Ich weiß nichts von der aktuellen Situation, außer, dass sie „nicht ganz einfach“ sein soll (Migration, hohe Mieten, Arm-Reich-Kluft, Menschen ohne Lebensziel). Ich musste mich immer wieder auf mein Vorhaben konzentrieren, möglichst viel von der traditionellen Kultur mitzubekommen. Irland habe ich als eine Art kulturelles Wahl-Exil auserkoren.

Dublin

Wir haben jeweils einen vollen Tag am Anfang und am Ende in Dublin verbracht. Die Zeit brauchten wir auch.

Universität

Die erste Übernachtung hatte wir in einem Studentenwohnheim. Das war mir nicht klar. Wir haben lange gebraucht, es zu finden, und sind mehrmals davor hin- und hergelaufen. Das Studentenwohnheim befindet sich in einem von Mauern und Stahltüren umgebenen Bereich. Man muss eine Klingel mit Gegensprechanlage benutzen, um reinzukommen. Innen liegen die äußerst komfortablen, modernen Flachbauten. Ich war mir nie ganz sicher, ob wir richtig sind. „We are not students“, sagte ich den jungen Leuten an der Rezeption. Kein Problem, im Sommer vermieten sie die Zimmer öffentlich. Wie kann man das als Student bezahlen, dachte ich mir. Ein kleines Zimmer mit zwei Betten und Gemeinschaftsbad und -Küche kostet 274 Euro die Woche. Tatsächlich ist es nur ein Bett mit ein Meter vierzig Breite und nur einer Decke. Kuschelig für jung verliebte Studenten. Wir haben uns eine zweite Decke besorgt. Die Bettdecken haben etwa zwei Drittel des gesamten Raumes eingenommen.

Dublin hat vier große, angesehene Universitäten, mit Studiengebühren, die sich Normalsterbliche nicht leisten können. Dazu kommen noch hohe Mieten und hohe Kosten für alles andere. Haferflocken sind günstig.

In der Bibliothek des Trinity Colleges kann man das Book of Kells und den alten Saal besichtigen. Die Bücher werden gerade gesäubert und digitalisiert, um sie vor dem Verfall zu bewahren. Vier Frauen wurden in der Büstengallerie neu aufgenommen: Augusta Gregory, Ada Lovelace, Mary Wollstonecraft und Rosalind Franklin.

In der Mitte des Saals wurden Arbeiten von Lily and Elizabeth Yeats ausgestellt. Ihre Dun Emer Press ist Geschichte, aber eine, die es lohnt, erzählt und damit lebendig gehalten zu werden.

Über das Book of Kells habe ich ein Buch mitgenommen, da kann man sich etwas intensiver mit beschäftigen, führt aber von meinem grundsätzlichen Interesse für Irland zu weit weg. Nur grundsätzlich finde ich es immer wieder faszinierend, wie das Wissen über Bücher in die Welt gekommen ist beziehungsweise sie mitgestaltet hat. Das Schreiben, das Sammeln und das Übertragen und Kopieren. Und wenn Menschen nicht immer wieder aufgeschrieben hätten, was gesagt wurde, hätten wir darauf keinen Zugriff mehr. Schreiben und Zeichnen lohnt sich immer, und wenn es einem noch so Unsinnig vorkommt.

Literatur und Geschichten

Ich musste mich mit dem Kaufen von Büchern zurückhalten, wollte aber in jeden Buchladen gehen, an dem ich vorbei kam. Ich kann nichts darüber sagen, welchen Stellenwert Literatur in Irland habe, aber ich habe den Eindruck, dass das Erzählen einen ganz großen Wert in der Kultur hat. Auch Gedichte sind eine übliche Textform. Im HMV-Store in Dublin bekommt man Klassiker (zwei Bücher für neun Euro) neben Vinyl, Mangas und T-Shirts. In jedem Buchladen gibt es ein Regal mit irischen und englischen Klassikern: Joyce, Huxley, Orwell, Beckett. Diese Literaturklassiker nehmen einen größeren Raum ein als in unseren Buchläden. Generell hatte ich den Eindruck, dass das Angebot in den Buchläden anspruchsvoller und vielfältiger ist als bei uns.

Ich habe mir ein Buch mit Gedichten gekauft, das und die ich sehr schön finde (Every Night is Full of Stars), ein Buch mit Märchen (Irish Folk and Fairy Tales), ein Buch über die Kelten und ein Buch über Wildblumen und Pflanzen, zu den Pflanzen gibt es etliche Geschichten und Traditionen.

Der Bezug zu Natur und Landschaft und die Besiedelung durch Wee Folk and Fairies ist noch mal ein eigenes, ganzes Kapitel für sich.

Aber zurück zum Bier.

Alcoholism in Ireland is a significant public health problem.

https://en.wikipedia.org/wiki/Alcoholism_in_Ireland

Ich trinke unglaublich gerne Ale und in Irland gibt es verdammt leckeres Ale. Zum Glück hatte ich viel frische Luft und Bewegung, so dass ich mit einem Pint wunderbar den Abend im Pub genießen konnte. Zwei merkte ich am nächsten Tag noch unangenehm.

Das alkoholfreie Guinness Zero schmeckt ganz gut, ein bisschen säuerlicher als das mit Alkohol. Fast alle Pubs hatten es aus dem Fass.

Pubs

Bereits in Dublin, wo wir zweimal im Pub waren, wurde live Musik gespielt und so war das überall. Es gab jeden Abend mehrere Pubs mit Live-Musik, so dass wir jeden Abend im Pub waren.

In kleine Pubs wird es oft sehr eng, und es ist üblich, sich zu unterhalten, wenn man so nah beieinander sitzt. Die Pubs sind oft brechen voll. Es ist üblich, sich mit Fremden zu unterhalten, und manchmal werden die Gespräche lauter und angeregter. Manchmal wird getanzt, manchmal gesungen.

A good craig

Wir waren an einem Abend in Crowley’s Bar in Kenmare. An dem Abend wurde Session Music gespielt. Eine kleine Hochzeitsgesellschaft feierte die Heirat zweier Frauen, die ihren Hochzeitswalzer dort tanzten.

Zwei Männer aus Belfast setzen sich in unsere Ecke, ich verstand eine Situation nonverbal, der eine dreht sich um und gibt mir einen Fistbumb. Wenn sie gesprochen haben, habe ich kaum ein Wort verstanden.

Später kam eine Familie aus Oregon in die Bar, die Eltern, ihre beiden erwachsenen Töchter, ein Schwiegersohn und der Sohn. Der sympathische Vater stellte mich seiner sympathischen Tochter vor.

Wir haben die Bar bald verlassen.

Draußen holten wir tief Luft und ein junger Mann, der dort sein Bier trank und sich eine Zigarette drehte, meinte: That’s a good craig, isn’t it?!

Absolut. Ich unterhielt mich kurz mit ihm und er gab mir den Tipp für eine Tanzshow in der Nähe von Kanmere. Leider haben wir für den nächsten Tag keine Karten mehr bekommen und wir mussten weiter zum nächsten Ort auf unserer Reise.

Ich habe mich schon lange nicht mehr so viel und freundlich mit fremden Menschen in so kurzer Zeit unterhalten.

Bier

Smithwick’s Red Ale

Das gibt es praktisch überall und schmeckt ganz O.K. In Deutschland bekommt man Kilkenny Red Ale in Flaschen, das schmeckt so ähnlich. Update: Kilkenny’s ist eine für den Export gebraute Variante.

Guinness

Trinkt man in Irland alternativ zum Leitungswasser, das absolut scheußlich schmeckt, aber für die Haare ganz toll ist. Im Leitungswasser ist ordentlich Chlor. Warum bringt man nicht ein Shampoo mit Chlor raus?

Rye River Pale Ale

Ein sehr leckeres Bier, fand ich.

Tom Crean India Pale Ale (IPA)

In Kenmare gibt es eine kleine Brauerei, deren Bier ich sehr gerne getrunken habe. Leider verschicken sie nur in Irland. Tom Crean ist dort eine Art Held, weil er an drei Expeditionen in die Antarktis teilnahm. Ich hatte mich nicht weiter mit ihm beschäftigt.

Love, Friendship and Loyality

Meine Frau und ich kauften uns Claddagh-Ringe. Je nachdem, wie man sie trägt, hat seine Bindungs-Symbolik eine andere Aussage. Für Männer bedeutet er die Liebe und Treue zu seinen irischen Wurzeln. Die habe ich nicht, ich trage ihn trotzdem.

Landschaft

Wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter. Es hat nur zweimal kurz geregnet. Die Temperatur war immer angenehm. Den ersten Eindruck von der Landschaft und dem Wetter bekamen wir in Doolin. Wir liefen die Cliffs of Moher bis zum Aussichtspunkt entlang, das sind etwa acht Kilometer. Es gibt einen schönen Weg, den man sehr gut laufen kann. Ich habe ständig Fotos gemacht, weil es einfach so schön war. Vom Aussichtspunkt fuhren wir mit dem Bus zurück.

In Kenmare fuhren wir den Ring of Kerry entlang und hielten am Looscaunagh Lough und Ladies‘ View. Wir liefen ein wenig im Killarney National Park herum, entlang am Torc Wasserfall.

An der Ostküste hielten wir in Waterford, besuchten dort das Irish Wake Museum, hörten uns Straßenmusik und fuhren nach Dunmore East. Es gibt dort einen sehr schönen Dunmore East Cliff Walk, der uns zu unserer Unterkunft mir Meerblick führte.

Auf dem Rückweg nach Dublin hielten besuchten wir den Mount Usher Gardens einen sehr hübschen Botanischen Garten.

Sterben und Tod

Friedhöfe und Kirchen (auch Ruinen) fielen mir besonders auf, vielleicht, weil es in der Landschaft sonst nicht viel Bauten gibt. Ich habe den Eindruck gehabt, dass der Tod ein Teil des Lebens dort ist. Im Wake Museum haben wir ein bisschen etwas darüber erfahren, aber ich konnte mir es nicht alles merken.

Die Totenwache in Irland ist eine besondere Tradition.

Immediately after a loved one has passed a window is opened. This will allow his or her spirit to leave the room. The window is closed after two hours to prevent the spirit from returning to the body. After the body is prepared it is laid on a table for viewing as a group surrounds their loved one to prevent evil spirits from taking the soul of the departed. They make sure not to walk or stand between the deceased and the window which could bring bad luck and prevent the spirit from leaving the room. Candles are placed at the head and foot of the departed along with a pair of shoes to help them walk through purgatory. All clocks in the home are stopped on the hour of death. Curtains are drawn and mirrors are covered as a sign of respect to the deceased. Keening is the Irish term for a mourning display of sorrow or wailing. At times the family would hire professional mourners/keeners to wail, cry and recite poetry. It was important to not begin keening until after the body was prepared to prevent evil spirits from taking the soul of the departed.

Source

The Irish Wake music album

Musik und Instrumente

Zu erzählen, was wir alles an Musik gehört haben, würde zu weit führen. Es reicht, wenn ich weiß, was ich mitgenommen habe. In Kenmare gibt es ein Musikgeschäft, in dem ich mir ein Songbook und zwei CDs gekauft habe, eine Sammlung mit Liedern von Liam Clancy und The Great Irish Songbook von Dervish.

Wenn Geld und Platz keine Rolle gespielt hätten hätte ich ein Banjo und eine Concertina gekauft, aber ich habe mich darauf beschränkt, erst einmal ein paar Balladen zu lernen und ein bisschen Sean Nós. Vor allem, mir erst einmal mehr Musik anzuhören.

Da ich sowieso viel über Musik schreibe, brauche ich das nicht weiter ausführen.

Fotografie

Nicht gekauft, habe ich mir zwei Bücher: Kingdome und Young Dubliners. Ich wollte nicht so viel Geld ausgeben und mein Koffer war bereits voll. Auf dem Rückweg hat er 19,4 Kilo gewogen.

Die Fuji X100 hat sich als beste Wahl erwiesen. Sie passte in meine Hoodie-Tasche und mich musste sie nur noch rausholen und draufdrücken.


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