Gut ist für mich besser als besser

Viele Lebenshilferatgeber (egal, ob einzelne Artikel, Ein-Satz-Tipps oder ganze Bücher) formulieren ihre Tipps in der Form, dass sie einem vor Augen führen, wie es einem besser geht. Geh spazieren, mach Sport, iss proteinreich mit vielen Vitaminen, triff Freunde. Man könnte es viel einfacher haben, indem man sagt: stoß dein Knie an, wenn der Schmerz nachlässt, geht es dir auch besser.

Es geht aber nicht darum, dass es einem besser geht, das Ziel sollte sein, dass es einem gut geht. Und zwar nur gut. Mehr nicht. „Hinterher fühlst du dich besser“ ist keine Regel, die für mich gilt, wenn es mir während dessen nicht gut geht. Hinterher fühle ich mich oft einfach bloß anders.

Besser geht es einem nur rückblickend. Wenn man mich während einer Erkältung fragt, wie es mir geht, sage ich „besser“, weil ich meinen jetzigen Zustand mit dem vorigen vergleiche. Besser lebt man immer nur im Verhältnis zur Vergangenheit. Und wie es einem früher wirklich ging, das weiß man doch gar nicht mehr so genau. Früher ging es einem erst einmal nur anders.

Erst wenn ich in der Lage bin, meinen momentanen Zustand wirklich und wahrhaftig zu fühlen; erst wenn es mir jetzt einfach nur gut gehen kann, dann kann ich nach vorne sehen. Dann habe ich überhaupt erst die Möglichkeit einer Ahnung von Morgen zu bekommen. Dann gibt es Hoffnung und Zukunft für einen selbst.

Disziplin und Ziele … alles schön und gut, aber wenn ich mich jetzt nicht gut fühle und damit zufrieden bin, mich bloß gut zu fühlen, dann bekomme ich das Problem, dass ich meinen jetzigen Zustand immer mit etwas anderem vergleiche: der Vergangenheit oder der Zukunft. Und dann bin ich unzufrieden, weil es mir noch nicht besser geht oder früher besser ging.

Die Gegenwart ist bestenfalls einfach nur gut. Mehr nicht.

Man muss erst einmal erkennen und manchmal so richtig bewusst machen, wie schlecht es einem geht, und dann akzeptieren, dass es einem einfach bloß gut gehen kann. Wenn man auf das „Besser“ zielt, braucht man immer diesen Vergleich, der einem eventuell vor Augen führt, dass es einem vorher sowohl mies, aber auch verdammt gut dabei gehen kann.

Diese Optimierungstechnik zum Besseren hin birgt für mich die Gefahr, dass ich immer zum Ungleichgewicht hin arbeite und permanent in Kontrasten lebe. Eiswasserbaden, Feueratem, Hochleistungssport, Bungee-Springen ist ichts für mich. Kalte Dusche höchstens. Mikro-Kontraste gerne, aber mir geht es um die wirklich langfristigen Effekte. Eine Leben als Mosaik aus Mikro-Kontrasten vielleicht.

Ich lebe so, dass es mir gut geht, nicht besser. Denn früher war manchmal schon richtig geil. Zudem geht es mir nicht permanent nur ausschließlich gut, aber ich habe mehr Möglichkeiten als früher, dafür zu sorgen, dass es mir gut geht.

Das ist wohl das Entropie-Gesetz des Alters.

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