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Nur so ein Gedanke.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die angehängten weiblichen Endungen im Deutschen nett gemeint waren, geschweige denn emanzipatorisch. Hat die weibliche Endung eine emanzipatorische Bedeutung bekommen, weil man sie positiv werten wollte, also ins Gegenteil verkehren? Die Bürgermeisterin war dann nicht mehr die Frau vom Bürgermeister, sondern der Bürgermeister selbst? Eine positiv gewendete Movierung, also?

Ich denke, dass die Nennung des Geschlechts in der Sprache zur Abgrenzung gegenüber dem Maskulinen und gewissen Lebensbereichen (Wissenschaft, Politik) benutzt wurde. Aber das ist nur eine Vermutung. Die weibliche Endung untermauerte das Patriarchat. In der Emanzipation wurde es positiv umgedeutet, das war gewollt und beabsichtig. Hätte man an der Stelle nicht auch einen anderen Weg einschlagen können und drauf verzichten?

Ich frage mich, ob es nicht schlauer gewesen wäre, sich von der ursprünglich (vermutlich!) eher negativ konnotierten Form des Weiblichen zu trennen und die männlich gedeutete vom Geschlecht zu entbinden. Also: Der Bürgermeister ist eine Frau. Der Satz wäre vor hundert Jahren eine Sensation gewesen. Heute würde man bei dem Satz genau das denken, was eigentlich alle wollen: Wen interessiert das Geschlecht?

Vor vierhundert Jahren mag man überrascht ausgerufen haben: „Stehen Frau Wirtin jetzt daselbst hinter der Theke und zapft mir das Bier (dröhnendes Gelächter), seit wann steht Mannsweib hinter der Theke?! (dröhnendes Gelächter, Fäuste, die auf den Tisch klopfen).“ Die Frau, nein, keine zwei Meter große, kräftige Frau, sondern eine kleine, schmächtige Frau mit blonden Locken, geht nicht zum Tisch und stellt sich bedrohlich und ebenbürtig vor den bärtigen Grobian, sie spuckt auch nicht listig in sein Bier, sondern flüstert nur leise in sich hinein: „Lieber Gott, womit habe ich das verdient?! Wird die Welt jemals anders sein?“

Die Welt ist eine andere geworden und Frau Wirtinnen sind nicht mehr die Frau vom Wirt, sondern führen selbst die Gaststätte. Mir kommt dabei einfach nur der Gedanken: Hätte man nicht im Laufe der Zeit (also die letzten hundert Jahre) das ursprünglich – das vermute ich – diskriminierend gemeinte -in nicht ablegen können?

Kein Mensch interessiert sich für das Geschlecht, wenn er einen Klempner ruft.

Kurz noch nachträglich angemerkt: das Die und Der werden sowieso als willkürlich angesehen und haben für eine geschlechtliche Vorstellung kaum Bedeutung, da braucht man nur mal jemanden fragen, der Deutsch lernt (Die Bohrmaschine).

Nebenbei bemerkt: Kinder haben ihre Geschlechtsneutralität bewahrt. Quereinsteiger auch.

Um das Ganze mal als Gedankenexperiment zu veranschaulichen – und möglicherweise wird meine Idee dadurch vorstellbar – zitiere ich aus dem Wikipedia-Eintrag zu „Geschlechtergerechte Sprache“ Luise F. Pusch:

Luise F. Pusch, Pionierin der geschlechtergerechten Sprache, verdeutlichte diese unsymmetrischen „Geschlechts-Schubladen“:

„Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und 1 Sänger sind zusammen 100 Sänger … Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männer-Schublade. Die Metapher bewirkt, dass in unseren Köpfen nur Manns-Bilder auftauchen, wenn von Arbeitern, Studenten, Ärzten, Dichtern oder Rentnern die Rede ist, auch wenn jene Ärzte oder Rentner in Wirklichkeit überwiegend Ärztinnen bzw. Rentnerinnen waren.“

Der letzte Satz ist wichtig, denn dieses Bild, diese Vorstellung hätte möglicherweise einen Wandel erfahren. Die Vorstellung wäre möglicherweise vielfältiger als man denkt. Jedenfalls dreht „Sänger*innen“ die Vorstellung einfach um, man stellt sich nur Frauen vor (wenn ich die Quelle finde, poste ich sie hier). Kann man machen, aber dann muss man auch mit Verbrecher*innen und Mörder*innen konsequent leben. Der Satz: „Die meisten Verbrecher*innen sind Männer“ ist aber auch ein bisschen komisch.

Jedenfalls ist das Zitat von Pusch erst einmal eine Behauptung, und möglichweise würde sich diese Behauptung heute nicht mehr als richtig erweisen. Viele Wörter haben einen Bedeutungswandel erfahren, so vielleicht auch Lehrer, Arzt und Sänger.

Wie gesagt, es ist nur ein Gedankenexperiment, das eigentlich hinfällig ist, weil wir das Rad der Zeit nicht zurückdrehen können. Wir müssen jetzt damit leben, in der Sprache nicht allen immer konsequent gerecht zu werden.

Hat man eigentlich schon das Auslassungszeichen in Betracht gezogen? So wie bei Rock’n’Roll? Also: Ärzt’innen? Das ist doch eigentlich das Zeichen der Wahl?!

Update: Jemand hat mir dieses Video geschickt. Das bestätigt, was ich mir dachte.


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