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Ich kann wieder ohne Brille lesen. Seit 15 Jahren lese ich nur mit Lesebrille, mittlerweile brauche ich für fast alles eine Brille, außer Autofahren und draußen Laufen. So richtig störend ist es beim Reparieren und Rumschrauben, weil ich da oft verdreht und über Kopf arbeite. So richtig störend ist es auch, wenn ich Musik mache, vor allem mit Kopfhörern. Die Noten und Texte drucke ich mittlerweile in Großschrift aus, A4 reicht dafür nicht mehr.

Vor dem Auftritt hatte ich die Idee, zum Optiker zu gehen und nach Kontaktlinsen zu fragen, damit ich in der Nähe scharf sehen kann (Noten), der Rest interessiert mich nicht, weil das sowieso im Dunklen ist (Publikum). Aber es gibt ja mittlerweile Bifokallinsen, mit denen man sowohl in der Ferne als auch in der Nähe sehen kann. Wunderwelt der Technik, ich bekomme mal wieder nichts mit.

Ich wurde vermessen und mittlerweile habe ich für mich passende Linsen, die ich schon länger tagsüber trage. Es ist gewöhnungsbedürftig, mehr kann ich dazu nicht sagen. Wer Hemmungen hat, am Augapfel rumzugrapschen, sollte es lieber lassen, denn das ist nötig. Aber das lernt man.

Mit den ersten Linsen bin ich gleich in die Stadtbücherei und in Buchhandlungen gegangen und habe es so sehr genossen, den Text ohne Brille lesen zu können.

Ich habe mittlerweile mal wieder zig Bücher angefangen und nicht zu Ende gelesen, ich bin mal wieder in der Phase. Aber ich gräme mich nicht mehr.

In der Stadtbücherei nehmen Unterhaltungsromane einen immer größeren Raum ein. Der eine hat mir gereicht, und war immerhin noch lesbar. Ich bin ja nicht grundsätzlich abgeneigt, neige zu romantischen Gefühlen und Gefühlen überhaupt, aber irgend etwas scheint doch grundsätzlich anders zu sein. Das nimmt einen unglaublichen Raum in diesen Geschichten ein. Romantische Gefühle sind ein echtes Spezialgebiet. Das ist Fachliteratur, Special Interest. Was für den einen Raumschiffantriebe sind, sind für manch andere Sehnsucht nach einer anderen Person.

Jetzt lese ich gerade, dass diese Romane in Bestsellerlisten auftauchen und über TicToc „rezensiert“ werden. Und über Blogs. Ich weiß, dass es etwas überheblich ist, das Wort in Anführungszeichen zu setzen, aber ich habe gerade bei einem dieser Romane nachgelesen. Die Rezensionen verweisen auf Blogs, die alle mittlerweile entfernt sind. Ich glaube, dass man diese Bücher und ihre Rezensionen und die kompletten Accounts komplett einer KI überlassen kann.

Es gibt diesen Begriff „Popcorn-Kino“ und die Redewendung „das Gehirn abschalten“, deshalb will ich das gar nicht allzu sehr werten, aber alles steht und fällt für mich mit der Dosis.

Wir haben mal in der Musikrunde unsere „Peinlich, aber geil“-Lieder mitgebracht. Man merkt schnell, dass die Grenzen da sehr fließend sind und man irgendwo schwankt zwischen „verbohrt“ und „naiv“. Verbohrt ist man, wenn man nichts Peinliches mag, naiv ist man, wenn man nur Peinliches mag. Und was peinlich ist, weiß man sehr genau, dafür hat man ein Gefühl. Fußnägel rollen sich hoch, Magen dreht sich um. Selbst die stumpfesten Menschen kann man da packen und werden windelweich.

Bild: Adobe Firefly


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