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Auf Flesh & Bone hat mich meine Ballettlehrerin gebracht. Ich habe die Serie vor ein paar Jahren angefangen, mich gefragt, warum ich mir das antun soll und gestern zu Ende gesehen.

Was soll ich sagen? Es ist ja kaum zu ertragen, aber leider wahr. Flesh & Bone versammelt die dunklen Seiten des Profi-Balletts in einer Serie. Auf Reddit schrieb einer oder eine: Ja, es passiert all das, aber nicht alles an einem Ort gleichzeitig. Das macht die Sache ja nicht besser. Die Serie wurde nach der ersten Staffel auch nicht weiter geführt.

Missbrauch in allen Formen, Erniedrigung und Konkurrenzkampf werden komprimiert in eine Serie gepackt, hervorragend von echten Tänzer’innen gespielt. Am Ende der Serie wird man mit einer kleinen Aufführung belohnt. Man kann dafür natürlich auch nur die letzte Folge gucken.

Tanz-technisch ist die Serie also absolut erstklassig und aus diesem Grund sehenswert. Alles andere will man als Tänzer lieber gar nicht sehen. Das ist ein bisschen fatal. Ich habe am Wochenende einen ehemaligen Ballettschüler kennen gelernt, der auf dem Weg zum Profitänzer war. Er hat aus mehreren Gründen aufgehört, denn zählt man die Dinge zusammen, die passieren, kann man sich schon fragen, warum man sich das antun sollte. Ich war jedenfalls entsetzt, dass selbst hier um die Ecke genau das Realität ist, wovon ich lieber nichts wissen will. Aber egal ob Sport oder Tanz oder Kunst in all seinen Formen … es scheint grundsätzlich überall ähnlich zu sein.

Es ist kein besonderes Problem des Balletts, es ist ein grundsätzliches Problem, dass Rassismus, Kapitalismus mit seinem Wettbewerb und Sexismus sich in unterschiedlichen Formen breit machen. Das ist wie mit der Einflussnahme auf den Klimawandel, da kann man noch so schöne Parolen basteln, wenn nicht alle daran mitarbeiten, etwas zu ändern, hat es keinen Zweck. Das geht zudem nur in kleinen Schritten und über längere Zeiträume. Und man muss ganz genau wissen, wo genau man ansetzen muss.

Es ist aber auch genau das, was mir an Flesh & Bone gefällt, anstatt die „dunkle Seite“ märchenhaft oder fantastisch zu verbrämen, aber auch ohne dokumentarischer Aufklärungs-Dramatik, die konkrete Fälle oder Personen benennt und ihr Verhalten aufdeckt, stellt die Serie sehr professionell und nüchtern dar, was in Teilen an vielen Orten vorkommt.

Es sind ja gerade auch die tragische Aufklärungsfälle, die einen hinterher darüber nachdenken lassen, wie etwas abgelaufen ist und ob man da richtig gehandelt hat, wie zum Beispiel das Royal Ballet im Fall Liam Scarlett. Im wurden sexuelle Übergriffe vorgeworfen, woraufhin das Royal Ballet ihn suspendierte, dann kündigte und weltweit seine Stücke nicht mehr aufgeführt wurden. Es konnten ihm keine justiziablen Verfehlungen nachgewiesen werden. Am 16. April nahm sich Liam Scarlett mit 35 Jahren in Ipswich das Leben.

Ich weiß schon, weshalb ich mich komplett auf die angenehmen, netten, menschlichen, freundlichen Seiten des Tanzes (auch des Balletts) konzentriere. Ich achte sehr auf den Umgang der Lehrer und Lehrerinnen mit den Schülerinnen, auf die Gruppe (die durchweg sympathisch und nett sind, weil wir alle das nur zum Spaß machen) und konzentriere mich auf einen rein freundschaftlichen, ungezwungen Umgang, damit der Tanzraum uneingeschränkt ein Safe Space für alle bleibt. Deshalb schätzen wir alle unsere nette kleine Schule und unsere Leiterin und die Lehrerinnen sehr.

Es war mir eine Lehre, dass mir in einer Diskussion über die Körperformen im Ballett Thin Shaming vorgeworfen wurde, weil ich kritisiert habe, dass ein Shop extrem dünne Modelle ausgewählt hat und zudem noch extrem dünn aussehen ließ. Dann geht mich das halt nichts an, dann bleibt unter euch, dachte ich. Dann erwartet aber auch nicht, dass ich mir das ansehe oder mich dafür auch nur interessiere. Wenn die nicht in der Lage sind zu sagen: „Ja stimmt, das geht zu weit“, dann stelle ich sie auf eine Stufe mit SUV-Fahrern. Ihr definiert eure Grenzen, ich meine.

Ich kenne Fußballfans, die ähnliche Probleme haben, Grenzen zu ziehen, die gerne Fußball angucken und spielen, aber nicht so, wie es gerade der Fall ist.

Eigentlich ist das ja traurig und verrückt. Ich höre und mache ja auch gerne Musik und wenn mein Lieblingsmusiker an einer Überdosis Schmerzmittel stirbt, bewegt mich da ja auch. Oder wenn ich immer noch gerne Michael Jackson oder Morrissey höre, bin ich hin und hergerissen, wie ich Werk und Künstler’in trennen kann oder soll. Wo soll ich da die Grenze ziehen? Natürlich gibt es auch andere Musik, aber wer weiß denn, wo das nächste Fettnäpfchen lauert? Wie soll ich da meinen Safe Space sauber abstecken? Ich habe ihn in Form meines eigenen Youtube-Kanals. Ich habe ihn beim Tanzen, indem ich nur zuhause und in der Schule tanze und mir nur zeitgenössische, kleine Produktionen ansehe, die den Körper nicht als Feind sehen oder unendlich manipulierbares Instrument, sondern als individuelle, wertvolle und schätzens- und liebenswerte Lebensform.


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