Die Sonntage vor dreißig Jahren

Am Samstag war ich zu einem fünfzigsten Geburtstag eingeladen. Es war eine Nachfeier mit zwei Jahren Verzögerung, ich nehme an wegen Corona. Die Freundin feierte in einem Häuschen ihrer Eltern am See. Als wir noch zusammen studierten, hatten wir dort Sommerfeste, Nikolausfeste und später eine Hochzeit gefeiert. Es war ein kleiner, aber fester Freundeskreis. Wir waren zusammen auf Exkursionen, haben Ausflüge gemacht, gingen in Ausstellungen und verbrachten Freizeit und Studium miteinander. Andere Freundinnen und Freunde kamen hinzu und gingen wieder. Der Kreis war lose, aber im Kern beständig.

Wir wohnten alle in Fahrradnähe und trafen uns regelmäßig, um die Sonntage miteinander zu verbringen. Die Frühstücke wurden zu Gelagen, die oft in Spieleabende übergingen. Eine Zeit lang gingen wir tanzen. Es gab einen Club, der Sonntags von 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr geöffnet hatte – eine optimale Zeit.

Als wir alle unserer Wege gingen, verheiratet, in Partnerschaft, mit Kindern, später teilweise in Trennung, löste sich die Gruppe etwas auf. Manche Freundschaften hielten sich, ich löste mich jedoch – mehr oder weniger – absichtlich. Wir waren fast zu gut befreundet und ich wollte andere Kontakte knüpfen. Die Freundschaft zum Freund von mir behielt ich bei, die zu den Freundinnen löste ich.

Ich erhielt die Einladung kurzfristig und wahrscheinlich nachträglich. Niemand hat mit meinem Kommen gerechnet und wenn unser Sänger nicht Corona bekommen hätte, wäre der Abend schon fest für ein Online-Konzert verplant gewesen. Ausgerechnet an dem Tag sprang auch unser Auto, trotz Starthilfe, nicht an. Ich setzte mich auf das Rad, fuhr ein Irrer zum Bahnhof, stieg dort in den Bus und lief noch mal eine halbe Stunde zum See. Nachdem ich erfahren hatte, dass alle alten Freunde kamen, musst ich dort hin.

Es war ein herzliches und freudiges Wiedersehen, weil wir so gerne an die Zeit zurückdachten. Ich habe mich lange mit einer Freundin unterhalten und im Großen und Ganzen ging es nur darum, den Hunger nach der Art Freundschaft zu stillen, die wir mal hatten. Wir wissen ja, was es ist, und können jetzt genauer danach leben und wieder danach Ausschau halten. Dinge, die wir schätzen, Gemeinsamkeiten, die man gerne teilen möchte und zusammen mehr Spaß machen. Ich habe danach überlegt, was für eine Art Beziehung oder Freundschaft oder Gemeinsamkeit das ist. Ich glaube es hat etwas Geschwisterliches, die humorvollen Kämpfe, das ständige Grenzen austesten, ähnliche Lebensverhältnisse und die herzliche, unhinterfragte Verbindung, viel Humor, viel Nähe und immer die nötige Distanz, niemand, der sich behaupten muss oder größer machen als er ist, jeder darf einfach sein, einfach der, der er ist. Man muss solche Geschwister nicht gehabt haben, aber wer das hatte, der überträgt das auf die Freundschaften.

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