Network, aber nicht social

Ich bin auf Facebook und Instagram wegen dem Tanzen (wegen des Tanzens!). Nur dort bekomme ich Veranstaltungen, Workshops und andere Informationen mit. Ein Netzwerk ist gut für’s Geschäft, die eigene Persönlichkeit ist das Produkt. Wir wissen das inzwischen, haben über die Jahre gelernt, damit umzugehen und können Geschäft, Netzwerk und Persönlichkeit nicht mehr trennen. Es ist ein Marktplatz. Bisher klappte das ganz gut, ich habe Darstellende Kunst und Tanz von allen anderen Bereichen getrennt und mich nur mit solchen Accounts verbunden. Das Tolle an Kunst ist, dass es verrückt ist, aber normal bzw. gut zu ertragen, weil man sich seines Geschmacks bewusst ist. Das geht auch bei Youtube ganz gut, und Twitter. Kunst ist dinglich, körperlich, emotional und der Verstand kommt nicht zu kurz. Rational scheint man Kunst nicht zu brauchen, aber solange es Wahrnehmung und Sinne gibt, gibt es Kunst. Kunst ist eine Form intelligenter Wahrnehmung des Menschen.

Nun kann man Kunst nur schwer von anderen Bereichen trennen, zudem nervt die Aufmerksamkeitsökonomie. Künstler’innen müssen halt auch von irgendwas leben. Am Ende ist Facebook auch nur ein Businessnetzwerk, bestenfalls. Von den schlimmeren Formen mal ganz abgesehen.

Wenn man sich thematisch beschränkt, funktioniert es einigermaßen. Es sind alles nur Medien und die brauchen Struktur, weil Medien zur Kommunikation gehören.

Ich mag aber offene Bühnen und freie Ateliers und fühle mich in Gruppen Gleichgesinnter wohl. Und das geht im Internet nur beschränkt. Das fängt ja schon bei der Schwierigkeit der Einschränkung an. „Adult Ballerina“ (furchtbarer Ausdruck), „Photographer“, „Musician“ in Verbindung mit „Recreational“, damit kommt man ganz gut klar.

Corona hat mir gezeigt, dass Kunst nicht vor Dummheit schützt. Kunst fördert nicht generell vernetztes Denken und Ambiguitätstoleranz, der eigentliche Witz von Kunst – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber bei Corona hört der Spaß nun mal auf, und manchmal eben schon beim Geschäft beziehungsweise, wenn die eigene Existenz oder Lebensgrundlage bedroht ist, was ja zusammen hängt. Das Bild von den bettelarmen, aber zufriedenen Künstler’innen ist ein romantischer Witz. Menschen brauchen ein geregeltes Einkommen, weil man Brot nicht auf Donation-Basis bekommt. Kunst braucht Ernsthaftigkeit, Freizeitkünstler’innen wie ich können sich den Spaß erlauben. Kunst ist durch Corona ernsthaft bedroht worden, in seinen Grundfesten erschüttert. Das können sonst nur Diktaturen, Hungersnöte oder Kriege.

Schlechte Nachrichten verbreiten sich besser als gute, und unangenehme Gefühle lösen bei uns stärkere Reaktionen aus als angenehme. Das Gehirn will für Ruhe und möglichst wenig Verbrauch von Energie sorgen. Die Wahrnehmung ist dabei ständig auf der Suche nach den Dingen, die unsere Ruhe stören könnten. Soziale Netzwerke sind eine Plattform für die Verbreitung solcher Alarmglocken. So kommt es vielleicht dann auch zu der von Drosten beschriebenen false balance. Bei mir wirkt so was sehr stark. Deshalb sind diese Plattformen für mich auch so gefährlich. Ich beschäftige mich dann mit einer Sache, die mich eigentlich in der Form nichts angeht. Ich will mich mit Sachen so generell nicht beschäftigen. Nicht auf diese Weise. Aber Kunst ist nun mal keine Wissenschaft und hat deshalb auch nicht die Werkzeuge, um sich einer Sache angemessen zu nähern. Dafür gibt es ja Studios und Ateliers. Struktur also in einem Bereich, der sich durch Freiheit auszeichnet.

Es sind einige Accounts mit einzelnen Verbindungen, die plötzlich das gesamte Bild in Schieflage bringen und nichts Konstruktives hinzufügen. Destruktive Kritik offenbart immer die widerstreitenden Gefühle und Zwangslage einer Person. Das kann manchmal hilfreich oder unterhaltsam sein. Die Schreiber vermeiden mittlerweile Alarmierungen, jetzt kommt die Kritik scheinbar nüchtern daher und rational, aber inhaltlich wird da hochgradiger Blödsinn verbreitet, der noch dümmer ist als einfach bloß zu schreiben „Finde ich doof“ oder Daumen runter zu geben. Das sind scheinrationale Wutausbrüche, inhaltlich unfassbar schlecht und manchmal sogar hanebüchen dumm. Man kann stattdessen eine angemessene, vorsichtige, fragende Kritik oder Zweifel äußern, erzeugt möglichweise unangemessen aggressiven Gegenwind und erreicht damit gar nichts außer Genugtuung, dass man nicht den Mund gehalten hat. Ganz wichtig also, denn das ist genau das, was es für manche stillen Menschen zu erreichen gilt. Die Sache an sich ändert man damit nicht.

Diese Form von Sozialem will ich nicht. Ich will auch manche Formen von real Sozialem nicht. Ich entwickel also zwangsläufig eine Form von Hygiene, das finde ich schwer als umtriebiger, neugieriger Mensch. Es hat sich nur gezeigt, dass sich selbst in freundlichen, verständnisvollen Umgebungen ebenso größter Unsinn verbreiten kann.

Auf Twitter habe ich schon gemutet, was das Zeug hält, auf Instagram entfolgt und auf Facebook muss ich jetzt auch stummschalten. Es ist mittlerweile schwer zu ertragen. Man kann ja gerne ein Foto von seinem gekauften Auto posten, aber wenn das Auto hässlich und zu groß ist und man noch schreibt, dass man sich damit einen Traum erfüllt hat … na, dann zweifelt man schon an der Person, der man eigentlich real-sozial vertraut. Zumal der Post von den eigenen Followern Daumen nach oben bekommt. So frage ich mich also, ob ich zu viel Vertrauen habe und nicht viel mehr auch real auf Distanz gehen müsste. Das ist nicht schön, wo ich doch die letzten Jahre darauf hin gearbeitet habe, etwas offener zu werden. Ich kann dann zwar freundlich-distanziert sein, aber so richtig sozial fühlt sich das nicht an.

Ich bin da hin- und hergerissen und unschlüssig. Am Ende ist es so, dass sich mein Sozialleben auf wenige, wirklich gute Freunde beschränkt. Es bleibt ein ganz wesentliches Merkmal, an dem ich festmachen kann, ob mir Beziehungen gut tun oder nicht: eine gewisse Sensibilität. Ein Fingerspitzengefühl. Das bildet sich aber in keiner Weise in Netz-Medien ab.

Ich sollte wirklich konsequent das „sozial“ aus den Medien streichen und sie als nur vernetzt ansehen, sagt meine vernünftige Kontrollinstanz.

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